a) Grundsatz

 

Rz. 115

Die Problematik des Verhältnisses des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB zu anderen möglichen Vergütungsansprüchen hat sich in der Praxis durch die entsprechende Anwendung der Vorschrift auch in den Fällen, in denen keine Nutzungsberechtigung des in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten besteht, weitgehend erledigt. Die Vorschrift gewährt hierdurch einen "nahezu voraussetzungslosen" Vergütungsanspruch; dieser setzt grundsätzlich lediglich voraus, dass ein Ehegatte die Ehewohnung in Trennungsabsicht verlassen hat.

b) Das Verhältnis zu § 280 Abs. 1 BGB

 

Rz. 116

In sämtlichen Fallgruppen scheidet eine in der alleinigen Nutzung liegende Pflichtverletzung des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB und damit der Anspruch insgesamt aus.

Greift § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB direkt ein, so steht dem die Ehewohnung alleinnutzenden Ehegatten ein Recht zum Alleinbesitz der Ehewohnung zu, die Alleinnutzung begründet keine Pflichtverletzung.

Hat der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungsberechtigte Ehegatte die Ehewohnung verlassen, ist § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB im Wege des argumentum a minori ad maius entsprechend anwendbar.[336] Die Vorschrift verdrängt § 280 Abs. 1 BGB zwar nicht als lex specialis, da es bereits am logischen Verhältnis der Spezialität fehlt. Der in § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB geregelte Fall ist kein Unterfall des Tatbestands des hier als generelle Norm in Betracht kommenden § 280 Abs. 1 BGB. Die Tatbestände beider Normen decken sich nämlich nur teilweise. § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB verdrängt § 280 Abs. 1 BGB jedoch im Wege der Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung.[337] Gesetzesverfasser und Gesetzgeber wollten die Nutzungsvergütung für die Ehewohnung gesondert und abschließend regeln, weshalb die Vorschrift, soweit sie eingreift, sei es auch entsprechend, andere Anspruchsgrundlagen in ihrem Anwendungsbereich verdrängt.

Greift § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB weder auf Seiten des in der Wohnung verbliebenen noch auf Seiten des ausgezogenen Ehegatten ein, so besteht das Recht zum Mitbesitz an der Ehewohnung beider Ehegatten aus § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB bis zur Rechtskraft der Endentscheidung in der Scheidungssache fort. Aufgrund des Rechts zum Mitbesitz des die Wohnung nutzenden Ehegatten liegt in der Benutzung der Wohnung keine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB.

[336] Erbarth, FamRZ 2005, 1713, 1718.
[337] Vgl. dazu Dietz, S. 62; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 89, vgl. dort auch Fn 30.

c) Das Verhältnis zu §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB

 

Rz. 117

In allen drei Fallkonstellationen steht dem Ehegatten, der die Ehewohnung verlassen hat, gem. §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB kein Vergütungsanspruch zu. In den Fällen, in denen der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungspflichtige Ehegatte die Ehewohnung verlässt und in den Fällen, in denen § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB zugunsten keines Ehegatten eingreift, fehlt es bereits an einer Vindikationslage. Dem die Ehewohnung benutzenden Ehegatten steht im ersten Fall ein Recht zum Alleinbesitz gem. §§ 1361b Abs. 1 S. 1, 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB und im zweiten Fall ein Recht zum Mitbesitz der Ehewohnung gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB zu.[338] Verlässt der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungsberechtigte Ehegatte die Ehewohnung, so verdrängt § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB die §§ 987 Abs. 1, 989 Abs. 1 BGB wiederum im Wege der Subsidiarität infolge erschöpfender Regelung. Die Gesetzgeber wollten mit § 1361b BGB die Ansprüche auf Überlassung der Wohnung und auf Entrichtung einer Nutzungsvergütung für Ehegatten abschließend regeln.[339]

[338] Vgl. ausführlich Erbarth, FamRZ 2005, 1713, 1719 ff.; NJW 2000, 1379, 1380 ff.
[339] BT-Drucks 14/5429, 21.

d) Das Verhältnis zu § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB

 

Rz. 118

Verlässt der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungspflichtige Ehegatte die Ehewohnung, steht dem in der Wohnung verbliebenen überlassungsberechtigten Ehegatten gem. §§ 1361b Abs. 1 S. 1, 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB ein Recht zum Alleinbesitz der Ehewohnung zu. Greift § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB weder zugunsten des einen noch zugunsten des anderen Ehegatten ein, haben nach wie vor beide Ehegatten ein Recht zum Mitbesitz der Ehewohnung gem. § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB, also auch der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte. Jedes Mal liegt in der Nutzung der Wohnung durch den in dieser verbliebenen Ehegatten kein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Rechts zur Benutzung der Ehewohnung des anderen Ehegatten vor. Die Eingriffskondition greift bereits tatbestandlich nicht ein.

Verlässt hingegen der gem. § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB überlassungsberechtigte Ehegatte die Wohnung, so steht dem ausgezogenen Ehegatten ein Anspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB auf Entrichtung einer Vergütung für die Benutzung gegen den anderen Ehegatten zu, wenn ihn dieser gegen seinen Willen von der Nutzung der Wohnung ausschließt. Das geschieht, sobald der überlassungspflichtige Ehegatte sich weigert zu weichen. Schon dann liegt ein Eingriff in den Zuweisungsgehalt des Rechts zur Alleinbenutzung der Ehewohnung vor.[340] Das Eingreifen dieser Vorschrift schließt jedoch das Vorliegen einer Regelungslücke nicht aus.[341] Al...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?