Rz. 111

Ausgangspunkt und zugleich Obergrenze für die Höhe der Nutzungsvergütung ist die ortsübliche Miete für eine vergleichbare Wohnung.[322] Da beide Ehegatten bis zum Eingreifen von § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB nach § 1353 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB ein Recht zum Besitz der gesamten Ehewohnung haben, verliert der überlassungspflichtige Ehegatte auch nur dieses Recht zur Mitbenutzung; es ist deshalb grundsätzlich vom halben Mietwert auszugehen, da der in der Wohnung verbleibende Ehegatte im Übrigen ohnehin zur unentgeltlichen Nutzung der Wohnung berechtigt ist.[323]

 

Rz. 112

Während des gesamten ersten Trennungsjahrs ist allerdings nicht von der ortsüblichen Vergleichsmiete auszugehen, sondern lediglich die für eine angemessene kleinere Wohnung zu entrichtende Miete zugrunde zu legen.[324] Dies deshalb, weil jedenfalls während des ersten Trennungsjahrs und gegebenenfalls darüber hinaus bis zu drei Jahren nach der Trennung der ausgezogene Ehegatte zum Zwecke der Versöhnung grundsätzlich in die Ehewohnung zurückkehren können muss. Der in der Ehewohnung verbliebene Ehegatte darf deshalb nicht gezwungen werden, aus finanziellen Gründen – insbesondere weil er eine Nutzungsvergütung entrichten muss – die Wohnung zu veräußern oder den bezüglich der Wohnung bestehenden Mietvertrag zu kündigen.[325] Der Ablauf des Trennungsjahrs nach §§ 1565 Abs. 2, 1566 Abs. 1 BGB dient nämlich nicht allein dazu, Rechtsmissbrauch zu vermeiden, sondern soll die Ehegatten weitergehend gegen vorschnell gefasste Scheidungsentschlüsse schützen.[326] Es dürfen keine Fakten geschaffen werden, die eine mögliche Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft erschweren.[327]

Allerdings ist die Entscheidung des BGH vom 5.3.2008[328] zu beachten, in der der Senat seine frühere Rechtsprechung ändert, nach der während der gesamten Trennungszeit eine geringere als die ortsübliche Miete zu entrichten war. Das Gericht führt aus, dies betreffe zwar nicht die gesamte Trennungszeit unabhängig von der Trennungsdauer, sondern nur denjenigen Zeitraum bis zu dem eindeutig feststehe, dass die Ehe endgültig gescheitert sei. Davon sei auszugehen, wenn das Scheidungsverfahren rechtshängig werde, die Ehegatten in der Trennungszeit einen Ehevertrag mit Gütertrennung schlössen, durch Veräußerung der gemeinsamen Ehewohnung an einen Dritten oder an den Ehepartner bereits die Vermögensauseinandersetzung durchführen oder aber die Trennungsdauer über drei Jahre liege, weil ab diesem Zeitraum nach § 1566 Abs. 2 BGB grundsätzlich vom Scheitern der Ehe auszugehen sei.[329]

Diese Entscheidung ist zwar zu einem Anspruch auf Unterhalt für die Zeit des Getrenntlebens nach § 1361 Abs. 1 BGB ergangen, sie ist jedoch insoweit auch im Rahmen der Nutzungsvergütung nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB anzuwenden. Auf diese Weise erfolgt nicht nur eine einheitliche Behandlung des Wertes für das Bewohnen der Ehewohnung beim Getrenntlebensunterhalt und bei der Nutzungsvergütung; vielmehr ist dies geboten, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, denn anderenfalls behandelte man zwei hinsichtlich des hier zu beurteilenden sachlichen Kriteriums – des objektiven Werts – gleichartige Sachverhalte unterschiedlich.

Die Höhe der Nutzungsvergütung richtet sich also grundsätzlich während des ersten Trennungsjahrs nach der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine angemessene kleinere Wohnung für den in der Ehewohnung verbliebenen Ehegatten. Vor Ablauf des ersten Trennungsjahrs ist nach der Entscheidung des BGH vom 5.3.2008[330] nur ausnahmsweise die ortsübliche Vergleichsmiete der Ehewohnung zugrunde zu legen, z.B. in den Fällen des § 1565 Abs. 2 BGB oder dann, wenn die Ehegatten in der Trennungszeit einen Ehevertrag mit Gütertrennung schließen. Demgegenüber kann sich die Höhe der Vergütung auch nach Ablauf des ersten Trennungsjahrs nach der ortsüblichen Vergleichsmiete für eine angemessene kleinere Wohnung richten; dies insbesondere dann, wenn das Scheitern der Ehe im Sinne von § 1565 Abs. 1 BGB nach Ablauf des ersten Trennungsjahrs noch nicht festgestellt werden kann, weil ein Ehegatte nicht geschieden werden will und deshalb die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB nicht eingreift und auch das Scheitern der Ehe im Sinne von § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB positiv noch nicht festgestellt werden kann. Der volle objektive Mietwert ist jedoch heranzuziehen, wenn die Ehegatten drei Jahre getrennt leben, da dann nach § 1566 Abs. 2 BGB grundsätzlich vom Scheitern der Ehe auszugehen ist.[331]

[322] BGH FamRZ 1994, 822; OLG Saarbrücken FamRZ 2010, 1981, 1982; OLG München FamRZ 2007, 1655, 1666; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2011, 481, 482; OLG Düsseldorf FamRZ 1999, 1271, 1272; Johannsen/Henrich/Götz, § 1361b Rn 38; Erman/Kroll-Ludwigs, § 1361b Rn 13; Bamberger/Roth/Neumann, § 1361b Rn 15; Schwab/Motzer, XIII Rn 80; Staudinger/Voppel, § 1361b Rn 78.
[323] OLG Hamm FamRZ 2011, 481, 482; FamRZ 2011 892, 893; Staudinger/Voppel, § 1361b Rn 78.
[324] So insbesondere die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte: OLG Hamm FamRZ 2011, 481, 482 f.; FamR...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?