Rz. 12

Statt eines umfassenden Erbverzichts kann der Verzicht auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden, § 2346 Abs. 2 BGB (sog. isolierter Pflichtteilsverzicht). Wird ein umfassender Erbverzicht betr. das gesetzliche Erbrecht vereinbart, dann umfasst er auch den Pflichtteilsverzicht, § 2346 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies ist folgerichtig, denn wer nicht mehr zu den gesetzlichen Erben gehört, der kann auch nicht mehr – gesetzlicher – Pflichtteilsberechtigter sein, denn das Pflichtteilsrecht basiert auf der fiktiven gesetzlichen Erbfolge. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass der Verzicht auf den Pflichtteil die eigentliche Bedeutung des Verzichtsrechts ist. Denn eine auf das gesetzliche Erbrecht bezogene Enterbung kann der Erblasser jederzeit durch Verfügung von Todes wegen vornehmen (§ 1938 BGB). Mit dem Pflichtteilsverzicht erlangt der Erblasser schon zu seinen Lebzeiten ein Maß an Testierfreiheit, das ihm vom Gesetz so nicht zugestanden wird. Er braucht danach bei seinen Verfügungen von Todes wegen auf das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden keine Rücksicht mehr zu nehmen. Praktische Bedeutung hat der Pflichtteilsverzicht im Recht der Unternehmens- und Hofesnachfolge. Der Erblasser kann für den Fall seines Todes die Nachfolge regeln, ohne dass der Nachfolger finanziellen Belastungen aus Pflichtteilsansprüchen ausgesetzt ist (insbesondere aus Ergänzungspflichtteilen). In der Praxis bietet sich für solche Fälle ein Pflichtteils-Teilverzicht an: Der Pflichtteilsberechtigte verzichtet darauf, dass bei der Pflichtteilsberechnung das Unternehmen in den Nachlassbestand aufgenommen wird (insoweit Verzicht auf ein Element des § 2311 BGB).

 

Rz. 13

Der Pflichtteilsverzicht erstreckt sich auch auf den Pflichtteilsergänzungsanspruch (§§ 2325 ff. BGB). Möglich ist ein Teilverzicht bezogen auf den Ergänzungsanspruch aus einem konkreten Schenkungsvorgang oder auch auf den Zusatz- oder Restpflichtteil nach § 2305 BGB in Verbindung mit dem Zusatzpflichtteil im Zusammenhang mit ausgleichungspflichtigen Vorempfängen gem. § 2316 Abs. 2 BGB. Auch ein auflösend bedingter Pflichtteilsverzicht im Rahmen eines Ehe- und Erbvertrages (sog. Gesamtvertrag[16]) ist möglich.[17]

 

Rz. 14

In Patchwork-Situationen ist es nicht selten, dass sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die gemeinsamen und die aus früheren Beziehungen stammenden Kinder zu Schlusserben. Um den Störfaktor Pflichtteil auszuschalten, werden mit den Abkömmlingen Pflichtteilsverzichte abgeschlossen. Nach herrschender Meinung kann aber der überlebende Ehegatte ohne Verstoß gegen die Bindungswirkung eines Erbvertrages oder eines gemeinschaftlichen Testaments den Pflichtteilsverzicht mit seinen Abkömmlingen jederzeit wieder aufheben, so dass vertragliche Abhilfen zur Sicherung der Kinder des Erstversterbenden erforderlich sind. Qualifiziert man aber den Pflichtteilsaufhebungsvertrag i.S.v. § 2351 BGB als Verfügung von Todes wegen, so sind die Abkömmlinge des erstversterbenden Ehegatten kraft Gesetzes geschützt.[18] Die EuErbVO qualifiziert den Erb- und auch den Pflichtteilsverzichtsvertrag und damit auch den Aufhebungsvertrag als Verfügungen von Todes wegen; siehe dazu Rdn 61 ff.

[16] BGH NJW-RR 1990, 442.
[18] Dazu ausführlich Schindler, DNotZ 2004, 824.

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