1. Der Ausschluss des Verzichtenden vom gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrecht
Rz. 22
Der auf sein gesetzliches Erbrecht Verzichtende wird nach § 2346 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 BGB so behandelt, wie wenn er zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr leben würde und deshalb von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist (Vorversterbensfiktion). Dieser Ausschluss ist im Grundsatz auf die Person des Verzichtenden beschränkt, weil die an seiner Stelle eintretenden gesetzlichen Erben, i.d.R. seine Abkömmlinge, kraft eigenen Rechts und nicht aufgrund eines von dem Verzichtenden abgeleiteten Rechts erbberechtigt sind.
Der Verzichtende verliert gem. § 2346 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB auch seinen Pflichtteil.
2. Die Rechtswirkungen des Verzichts auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht der Abkömmlinge
Rz. 23
Von dem zuvor genannten Grundsatz der höchstpersönlichen Verzichtswirkung macht § 2349 BGB eine Ausnahme. Der Verzicht eines Abkömmlings oder eines Seitenverwandten des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht hat den Wegfall der Abkömmlinge des Verzichtenden zur Folge, ohne dass der Verzicht zugleich in deren Namen erklärt werden muss. Andere Tatbestände des Wegfalls eines gesetzlichen Erben, wie Erbausschlagung, Erbunwürdigkeit erstrecken sich nicht von selbst auf die Abkömmlinge des Wegfallenden. Diese Regelung beruht auf der Annahme, dass der Erb- oder Pflichtteilsverzicht in der Regel gegen Zahlung einer Abfindung erfolge, die zu einer doppelten Begünstigung des Verzichtenden und seines Stammes führen könnte, wenn sich der Verzicht nicht zugleich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstrecken würde. Allerdings gilt – in inkonsequenter Weise – § 2349 BGB auch dann, wenn der Verzicht ohne eine Abfindung erklärt wird. Auf diese Weise kann der Verzichtende zusammen mit dem Erblasser noch vor dem Erbfall auf das gesetzliche Stammeserbrecht des § 1924 BGB einwirken und – noch gravierender: Auf das Stammespflichtteilsrecht des § 2309 BGB. Sind sich Erblasser und verzichtender Abkömmling einig, so können sie mittels eines einfachen Erbverzichtsvertrags das Pflichtteilsrecht entfernterer Abkömmlinge ausschließen.
3. Die Rechtswirkungen des Verzichts auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht der Eltern
Rz. 24
Im Grundsatz gilt für den Fall des Wegfalls näherer Erbberechtigter: Das gesetzliche Erbrecht und Pflichtteilsrecht nicht bedachter entfernterer Abkömmlinge oder Eltern des Erblassers ist eingeschränkt. Diese Personen haben nur dann gesetzliches Erbrecht, wenn keine näheren Abkömmlinge vorhanden sind; im Übrigen sind sie bereits kraft Gesetzes von der Erbfolge ausgeschlossen und nicht etwa durch Verfügung von Todes wegen, § 1930 BGB. Auch ihr Pflichtteilsrecht hängt damit entscheidend vom Vorhandensein näherer Berechtigter ab. Nur wenn diese wegfallen, steht den entfernteren Abkömmlingen oder den Eltern des Erblassers ein gesetzliches Erbrecht und im Falle ihrer Enterbung ein Pflichtteilsrecht zu. Elternerbrecht und Elternpflichtteilsrecht können also dann zum Vorschein kommen, wenn der einzige Abkömmling (oder alle Abkömmlinge) auf sein Erbrecht verzichtet und die Erstreckung des Verzichts auf seine Abkömmlinge nicht ausgeschlossen wird, also der gesetzliche Regelfall eintritt.
4. Abweichende Vereinbarungen
Rz. 25
Die Rechtsfolge der in § 2349 BGB angeordnete Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge ist keine zwingende Regelung, vielmehr können die Vertragsparteien Abweichendes vereinbaren.