Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 71
Ein Problem der dargestellten Bestimmung der Nacherben durch den Erblasser, ob durch konkrete namentliche Nennung oder Bezeichnung einer bestimmten Personengruppe, wird häufig darin gesehen, dass der Vorerbe die Nacherbeneinsetzung nicht mehr ändern kann und es ihm damit nicht mehr möglich ist, auf Veränderungen oder unerwartete negative Entwicklungen zu reagieren. Beispielsweise könnte einer der Nacherben der Drogensucht verfallen oder hoch verschuldet sein. In beiden Fällen wäre anzunehmen, dass der Erblasser bei Kenntnis dieser Sachlage die jeweiligen Nacherben nicht eingesetzt hätte. Der Vorerbe kann auf die veränderte Sachlage nicht mehr reagieren.
Deshalb wird es möglicherweise im Interesse des Erblassers liegen, die letztwillige Gestaltungsfreiheit des Vorerben hinsichtlich des Nachlasses des Erblassers zu erhalten. Es stellt sich die Frage, ob der Erblasser die Auswahl des Nacherben nicht dem Vorerben überlassen kann.
a) Freies Ermessen des Vorerben bei der Auswahl des Nacherben
Rz. 72
Der Erblasser kann die Bestimmung des Empfängers einer Zuwendung oder des Gegenstandes derselben nicht in die Entscheidung eines Dritten stellen. Ein Dritter bzw. "anderer" im Sinne des § 2065 Abs. 2 BGB ist jede Person mit Ausnahme des Erblassers selbst. § 2065 BGB normiert die materielle Höchstpersönlichkeit der Testamentserrichtung. Aufgabe des Erblassers ist es, seine letztwillige Verfügung selbst zu durchdenken und seinen eigenen Willen zu bilden. Der Erblasser soll selbst die Verantwortung für seine letztwillige Verfügung übernehmen. Die Testierfreiheit gibt dem Erblasser die Möglichkeit, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen. Diese Verfügungsbefugnis kann er aber nicht auf dritte Personen übertragen. Ein Verstoß gegen § 2065 BGB führt zur Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung.
b) Auswahl aus einem eng begrenzten Personenkreis
Rz. 73
Das RG hat eine Verfügung für zulässig erklärt, wonach der Erbe aus einem eng begrenzten Bedachtenkreis ausgewählt werden kann und die Kriterien für die Auswahl so genau bestimmt sind, dass für eine willkürliche Entscheidung des Dritten kein Raum bleibt. Allerdings hat der BGH diese Möglichkeit eingeschränkt, und zwar dahingehend, dass eine Ermessensentscheidung eines Dritten nicht möglich ist. Nach Ansicht des BGH soll es einem Dritten möglich sein, den Erben zu bezeichnen, nicht aber die Bestimmung des Bedachten selbst zu treffen. Der Erblasser hat deshalb den Kreis der Bedachten so detailliert zu bestimmen, dass einem Dritten die Bezeichnung des Bedachten ohne eigenes Ermessen möglich ist. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist allerdings das berechtigte Interesse des Erblassers, wonach dieser auch zukünftige, zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht vorhersehbare Entwicklungen in seiner letztwilligen Verfügung berücksichtigen will, entgegenzuhalten. Gerade bei der Vor- und Nacherbschaft kann zwischen dem Tod des Erblassers und dem Eintritt des Nacherbfalls eine sehr lange Zeitspanne liegen. Aus diesem Grund spricht einiges dafür, dem Reichsgericht zuzustimmen und als Regulativ die Willkür des Dritten heranzuziehen. Ob sich im Ergebnis trotz unterschiedlicher Begrifflichkeiten aber tatsächlich ein ins Gewicht fallender Unterschied zwischen der Rechtsprechung des RG und des BGH ergibt, ist durchaus zweifelhaft. Die Kriterien für die Nacherbenbestimmung müssen in jedem Fall so klar vorgegeben sein, so dass für eine willkürliche Entscheidung des Dritten kein Raum bleibt.
c) Bestimmung der gewillkürten Erben des Vorerben als Nacherben (sog. Dieterle-Klausel)
Rz. 74
Beim Geschiedenentestament ist die in der Praxis am häufigsten gewählte Gestaltungsvariante die, wonach der Erblasser die gemeinschaftlichen Kinder aus der geschiedenen Ehe zu befreiten Vorerben einsetzt und diejenigen Personen Nacherben werden, die der Vorerbe von Todes wegen zu seinen Erben bestimmt, wobei der geschiedene Ehegatte und dessen Verwandten von der Nacherbfolge ausgeschlossen sind. Es handelt sich hierbei um die so genannte "Dieterle-Klausel", zurückgehend auf dessen Gestaltungsvorschlag in BWNotZ 1971, 170.
Formulierungsbeispiel
Nacherben sind die Personen, die der Vorerbe zu seinen gewillkürten Erben einsetzt und zwar im gleichen Anteilsverhältnis, wie er selbst sie zu seinen Erben beruft. Mein geschiedener Ehegatte, dessen Abkömmlinge, soweit sie nicht mit mir gemeinschaftlich sind, und seine Verwandten aufsteigender Linie sind dabei jedoch als Nacherbe ausgeschlossen.
Rz. 75
Es besteht allerdings Streit darüber, ob in einer solchen Formulierung ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB zu sehen ist.
Die in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten stellen sich wie folgt dar:
Rz. 76
Die herrschende Auffassung sieht in der "Diete...