Rz. 40

Nach § 2112 BGB kann der Vorerbe grundsätzlich frei über die Nachlassgegenstände verfügen, soweit sich nichts anderes aus den §§ 2113 bis 2115 BGB ergibt. Durch die bereits dargestellten Verfügungsbeschränkungen (siehe Rdn 29 ff.) ist der Vorerbe auch grundsätzlich nicht gehindert, Nachlassgegenstände zu Lebzeiten zu übertragen. Denkbar wäre also auch die Übertragung von Nachlassgegenständen an den früheren Ehegatten oder andere ausgeschlossene Personen. Verfügt der Vorerbe unentgeltlich über Nachlassgegenstände, so reduziert sich der Nachlasswert. § 2113 BGB enthält für einige als besonders schwerwiegend angesehene, die Nacherbenrechte regelmäßig erheblich gefährdende Verfügungen Ausnahmen von dem in § 2112 BGB festgelegten Grundsatz der Verfügungsfreiheit des Vorerben. Gemäß § 2113 Abs. 2 BGB sind unentgeltliche Verfügungen des Vorerben, die der Nacherbe nicht genehmigt, unwirksam. Von dieser Norm kann der Erblasser den Vorerben auch nicht befreien, mit Ausnahme von Pflicht- und Anstandsschenkungen. Die unentgeltliche Verfügung muss das Recht des Nacherben beeinträchtigen. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung ist eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise heranzuziehen. Werden Nutzungsrechte zurückbehalten, dann ergibt sich der Wert der Leistung des Vorerben, indem man vom Wert des Grundstücks noch den Wert des Rechts in Abzug bringt.[52] Unentgeltlich sind deshalb auch gemischte Schenkungen, sowie alle anderen teilweise unentgeltlichen Verfügungen. Diese sind in vollem Umfang unwirksam. Der Nacherbe hat nicht nur einen Anspruch auf die Wertdifferenz, das entsprechende Rechtsgeschäft ist rückabzuwickeln.[53] Der Erwerber muss den Herausgabeanspruch Zug um Zug gegen Rückerstattung der Gegenleistung erfüllen.[54]

 

Rz. 41

Will der Erblasser eine unentgeltliche Verfügung zugunsten des früheren Ehegatten oder einer anderen unerwünschten Person verhindern, kann er bestimmen, dass eine solche Verfügung Bedingung des Eintritts der Nacherbfolge sein soll. Der Erblasser wird den Nacherbfall so festlegen, dass dieser mit jeder Veräußerung eines Nachlassgegenstandes unter Lebenden an eine "persona non grata" ausgelöst wird.[55] Es muss allerdings bedacht werden, dass eine solche Gestaltungsvariante die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Vorerben enorm einengt. Alternativ hierzu könnte eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden. Der Vorerbe verliert hierbei sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht im Hinblick auf das Nachlassvermögen an den Testamentsvollstrecker, §§ 2205, 2211 BGB (siehe auch § 4 Rdn 13 ff.). Damit wäre zwar sichergestellt, dass der Vorerbe nicht mehr zugunsten einer unerwünschten Person verfügen kann, aber gleichzeitig verliert dieser auch jegliche lebzeitige Verfügungsfreiheit hinsichtlich der Nachlassgegenstände. In aller Regel wird der Erblasser seine Abkömmlinge aus der geschiedenen Ehe zu Vorerben einsetzen und gerade beabsichtigen, diese in ihrer Verfügungsfreiheit möglichst wenig zu beschränken. Folglich ist die Anordnung einer Testamentsvollstreckung für ein Geschiedenentestament nur in Ausnahmefällen ein geeignetes Gestaltungsmittel.

[52] OLG München ZEV 2018, 300 ff. = ZErb 2018, 142 ff.
[53] Mehrle, in: Bonefeld/Wachter, Fachanwalt Erbrecht, § 4 Rn 37.
[54] BGH FamRZ 1990, 1344.
[55] Nieder, ZEV 1994, 156, 159.

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