Florian Enzensberger, Maximilian Maar
I. Grundsätzliches
Rz. 23
Das häufigste Gestaltungsmittel zur Erreichung der oben genannten Ziele ist die Anordnung der Vor- und Nacherbschaft. Es wird ein Sondervermögen geschaffen, das streng vom Eigenvermögen des Vorerben getrennt ist und der Testierfreiheit des Vorerben entzogen ist. Das Sondervermögen kann nicht an die Erben des Vorerben fallen und auch nicht zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen der pflichtteilsberechtigten Angehörigen des Vorerben herangezogen werden. Der Pflichtteil wird nur aus dem Eigenvermögen des Vorerben berechnet. Außerdem können Nachlassgegenstände zu Lebzeiten nur beschränkt auf den anderen Ehegatten übertragen werden (§§ 2112 ff. BGB).
Erst in einem vom Erblasser bestimmten Moment oder bei Eintritt eines vom Erblasser bestimmten Ereignisses, geht die Erbschaft auf den Nacherben über (§ 2139 BGB).
Rz. 24
Regelmäßig tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein. Mangels einer anderen Vorgabe des Erblassers wird dies gem. § 2106 Abs. 1 BGB vermutet. Es kommt dann zu zwei Erbfolgen. Im Hinblick auf sein eigenes Vermögen wird der Vorerbe von seinen gesetzlichen oder gewillkürten Erben beerbt. Hinsichtlich des der Nacherbschaft unterliegenden Sondervermögens wird der Erblasser vom Nacherben beerbt. Nach einhelliger Meinung ist der Nacherbe Erbe des Erblassers und nicht des Vorerben.
Rz. 25
Gemäß § 352b FamFG sind die Anordnung der Nacherbfolge selbst sowie die Person des Nacherben und die Voraussetzungen unter welchen sie eintritt, im Erbschein anzugeben. Im Grundbuch ist bei der Eintragung eines Vorerben gem. § 51 GBO auch das Recht des Nacherben einzutragen.
Die Konstruktion der Vor- und Nacherbschaft ist durchaus kompliziert und facettenreich. Die Einzelheiten hierzu werden nachfolgend detailliert dargestellt.
II. Person des Vorerben
Rz. 26
Bei Erstellung eines Geschiedenentestaments wird der Erblasser in aller Regel die Abkömmlinge aus der gescheiterten Ehe zu Vorerben einsetzen.
Setzt der Erblasser mehrere Personen zu Vorerben ein, so bilden diese eine Erbengemeinschaft gem. § 2032 BGB. Vor dem Eintritt des Nacherbfalls sind die Nacherben an der Miterbengemeinschaft nicht beteiligt. Sie bilden auch selbst noch keine Erbengemeinschaft, da eine Erbengemeinschaft zwingend ein gemeinschaftliches Vermögen voraussetzt, das aber vor Eintritt des Nacherbfalls nicht existiert (§ 2139 BGB).
Mit Eintritt des Nacherbfalls scheidet der Vorerbe aus der Erbengemeinschaft aus. Der nach ihm berufene Nacherbe tritt in dessen Position ein. Sind mehrere Nacherben berufen, treten diese als Miterbengemeinschaft an die Stelle des Vorerben.
Fällt ein Abkömmling vor oder nach dem Erbfall rückwirkend weg und wird deshalb nicht Vorerbe, ist der nach ihm zum Nacherben Berufene nach § 2102 Abs. 1 BGB im Zweifel als Vorerbe eingesetzt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn nicht aufgrund der Auslegung der Wille des Erblassers ermittelt wird, dass der als Nacherbe Eingesetzte auch wirklich nur Nacherbe werden soll. In einem solchen Fall würden dann die gesetzlichen Erben als Vorerben eintreten.
Rz. 27
Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis § 2102 Abs. 1 BGB zu den §§ 2069, 2094 BGB steht. Als speziellere Regelung der Vor- und Nacherbschaft geht § 2102 Abs. 1 BGB der allgemeinen Ersatzerbenberufung aus § 2069 BGB vor. § 2102 Abs. 1 BGB erfasst i.V.m. § 2069 BGB nur den Wegfall des Erben. Bei § 2069 BGB ist die Art der Zuwendung an den weggefallenen Bedachten gleichgültig. Fällt also der Vorerbe weg, ist im Zweifel der Nacherbe als Ersatzerbe berufen und nicht die Abkömmlinge des Vorerben.
Beim Wegfall von einem von mehreren Mitvorerben, ist aufgrund von § 2102 Abs. 1 BGB auch die Anwachsung gem. § 2094 BGB durch die nach § 2099 BGB vorrangige Ersatzerbenberufung verdrängt.
III. Rechtliche Stellung des Vorerben
1. Vorerbe als "echter Erbe"
Rz. 28
Der Vorerbe wird wahrer Erbe. Dies allerdings nur zeitlich befristet, bis zum Eintritt des Nacherbfalls. Auf den Vorerben gehen das gesamte Vermögen (§ 1922 BGB), der Besitz des Erblassers (§ 857 BGB), sowie dessen Verbindlichkeiten (§ 1967 BGB) über. Die Erbschaft geht also als Ganzes oder zu einem Bruchteil über. Eine Vererbung einzelner Gegenstände durch “Vonselbsterwerb“ beim Todesfall ist nicht möglich. Es gibt deshalb keine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft. Dies kann jedoch dadurch erreicht werden, dass dem Vorerben alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme dessen, was der "gegenständlich beschränkten Vorerbschaft" unterstehen soll, als Vorausvermächtnis zugewendet wird (§§ 2150, 2110 Abs. 2 BGB).
Diese Rechtsstellung des Vorerben fällt mit Fristablauf oder Eintritt der Bedingung weg. Der Nachla...