Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 126
Vor- und Nacherbe sind bürgerlich-rechtlich Rechtsnachfolger des Erblassers. Sie beerben den Erblasser allerdings nicht gleichzeitig nebeneinander, sondern zeitlich versetzt nacheinander (§ 2100 BGB). Das Erbschaftsteuerrecht weicht hier vom Zivilrecht ab. Der Vorerbe gilt als Erbe (§ 6 Abs. 1 ErbStG).
I. Besteuerung des Vorerben
Rz. 127
Erbschaftsteuerlich gilt der Vorerbe als Vollerbe (§ 6 Abs. 1 ErbStG). Die Verfügungsbeschränkungen des Vorerben finden im Steuerrecht keine Berücksichtigung, auch nicht bei der Bewertung seines Erwerbs (siehe § 9 Abs. 2 S. 3 und Abs. 3 BewG).
Der Erwerb von Todes wegen ist beim Vorerben gem. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG voll steuerpflichtig. Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit dem Tod des Erblassers.
Der Vorerbe hat nach § 20 Abs. 4 ErbStG die Erbschaftsteuer aus den Mitteln der Vorerbschaft zu entrichten. Folglich wird die Steuer aus der Substanz der Erbschaft gezahlt. Sie ist damit die ausdrücklich geregelte außerordentliche Last gem. § 2126 BGB. Wird die Erbschaftsteuer aus eigenen Mitteln des Vorerben bestritten, gilt § 2124 Abs. 2 S. 2 BGB, d.h. der Nacherbe ist dem Vorerben bei Eintritt des Nacherbfalls zum Ersatz verpflichtet. Hat der Vorerbe die Steuerschuld bis zu seinem Tode nicht entrichtet, so geht sie als Nachlassverbindlichkeit (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG) auf seine Erben über. Die Erben erben aber nicht nur die Erbschaftsteuer, sondern auch den Ersatzanspruch ihres Vorgängers gegen den Nacherben.
Erlangt der Vorerbe die Stellung des Vollerben, so ist hierin kein zusätzlicher steuerpflichtiger Erwerb zu erkennen.
Ebenso wie sich die Verfügungsbeschränkungen des Vorerben nicht auswirken, wirkt sich auch der Nacherbfall auf den Erwerb des Vorerben nicht aus. Hierbei spielt es keine Rolle, ob er mit dem Tod des Vorerben (§ 6 Abs. 2 ErbStG) oder durch ein anderes Ereignis (§ 6 Abs. 3 ErbStG) eintritt. Der Vorerbe hat zwar auflösend bedingt erworben. Für den Fall des Eintritts des Endtermins oder der Bedingung bleibt es aber bei der Besteuerung des Vorerben. Im Fall des § 6 Abs. 3 ErbStG erfolgt bei der Besteuerung des Nacherben eine Anrechnung der vom Vorerben bezahlten Steuer, abzüglich der Steuer, die der Bereicherung des Vorerben entspricht. Im Fall des § 6 Abs. 2 ErbStG erfolgt keine Korrektur.
II. Besteuerung des Nacherben
Rz. 128
Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Nacherbe ein Anwartschaftsrecht. Dieser Erwerb wird nicht besteuert. Die Steuer entsteht erst mit dem Eintritt der Nacherbfolge (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h ErbStG).
1. Eintritt der Nacherbfolge durch den Tod des Vorerben
Rz. 129
Mit dem Eintritt des Nacherbfalls durch den Tod des Vorerben hat derjenige, auf den das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend zu versteuern (§ 6 Abs. 2 ErbStG).
Hierunter fallen auch Ansprüche aufgrund § 2287 BGB sowie Herausgabeansprüche aus § 2113 BGB, die der Nacherbe mit Erfolg geltend macht. Für den durch den Vorerben Beschenkten erlischt dann die Schenkungsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Auch bei gleicher Substanz muss der Wert der Vorerbschaft nicht dem Wert der Nacherbschaft entsprechen, da der gemeine Wert eines Gegenstandes Schwankungen unterliegen kann.
Ist die Steuerklasse im Verhältnis des Vorerben zum Nacherben ungünstiger als die vom Erblasser zum Nacherben, wird auf Antrag die günstigere Steuerklasse bei der Besteuerung der Nacherbschaft zugrunde gelegt (§ 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG). Die Anwendung dieser Steuerklasse erstreckt sich auf alle Vorschriften, in denen sie für die Berechnung der Steuer eine Rolle spielt, insbesondere auch auf die Vorschriften über Freibeträge und Freigrenzen. Fällt dem Nacherben in dieser Fallkonstellation auch noch eigenes Vermögen des Vorerben zu, so bestimmt sich zunächst der Steuersatz nach dem zusammengerechneten Vermögen, die Nacherbschaft und die freie Erbschaft bilden eine Einheit (§ 6 Abs. 2 S. 5 ErbStG). Hinsichtlich der Steuerklasse ist jeder Erbfall jedoch getrennt zu behandeln (§ 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG). Für den Erwerb des Eigenvermögens des Vorerben kann jedoch ein Freibetrag nur noch so weit genutzt werden als er nicht für das Vermögen vom Erblasser verbraucht wurde (§ 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG). Mit diesen Regelungen soll verhindert werden, dass das ausgeübte Wahlrecht nicht zu unangemessenen Steuervorteilen beim Nacherben führt. Der Anfall an die Nacherben vom Erblasser und vom Vorerben wird steuerrechtlich als ein einziger Erbvorgang behandelt. Dies kann auf Seiten des Nacherben zu ganz massiven Nachteilen führen. In der Beratung sollte diese Kumulierung bedacht werden, wenn der Nacherbe auch Erbe des Vorerben werden soll.
Rz. 130
Beispiel 1
Der geschiedene Vater A setzt seinen Sohn B aus der geschiedenen Ehe als Vorerben und seinen nichtehelichen Sohn C als Nacherben ein. Der Nacherbfall soll mit dem Ableben des B eintreten. C erwirbt Vermögen vom...