Florian Enzensberger, Maximilian Maar
1. Vorerbe als "echter Erbe"
Rz. 28
Der Vorerbe wird wahrer Erbe. Dies allerdings nur zeitlich befristet, bis zum Eintritt des Nacherbfalls. Auf den Vorerben gehen das gesamte Vermögen (§ 1922 BGB), der Besitz des Erblassers (§ 857 BGB), sowie dessen Verbindlichkeiten (§ 1967 BGB) über. Die Erbschaft geht also als Ganzes oder zu einem Bruchteil über. Eine Vererbung einzelner Gegenstände durch “Vonselbsterwerb“ beim Todesfall ist nicht möglich. Es gibt deshalb keine gegenständlich beschränkte Vor- und Nacherbschaft. Dies kann jedoch dadurch erreicht werden, dass dem Vorerben alle Nachlassgegenstände mit Ausnahme dessen, was der "gegenständlich beschränkten Vorerbschaft" unterstehen soll, als Vorausvermächtnis zugewendet wird (§§ 2150, 2110 Abs. 2 BGB).
Diese Rechtsstellung des Vorerben fällt mit Fristablauf oder Eintritt der Bedingung weg. Der Nachlass bildet daher ein Sondervermögen, das eigenen rechtlichen Regelungen folgt. In den §§ 2112 bis 2145 BGB ist dieses Rechtsverhältnis geregelt.
Praxishinweis
Zu beachten ist allerdings, dass im Rahmen eines Geschiedenentestaments der als Vorerbe eingesetzte Abkömmling eine möglichst umfangreiche und freie Rechtsstellung erhalten soll.
2. Verfügungsrecht des Vorerben
Rz. 29
Grundsätzlich kann der Vorerbe über die zum Nachlass gehörenden Gegenstände verfügen. Allerdings sind hierbei die Vorschriften der §§ 2112 bis 2115 BGB zu berücksichtigen, die den Vorerben in seiner Verfügungsfreiheit erheblich einschränken. Die Verfügungen des Vorerben werden unwirksam, wenn bei Eintritt des Nacherbfalls das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt ist. Es kommt hierbei nicht darauf an, ob der Vorerbe ein Entgelt für die Verfügung erhalten hat. Entscheidend ist einzig und allein die rechtliche und nicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Es entscheidet sich allerdings erst bei Eintritt des Nacherbfalls, ob die Verfügung unwirksam wird und der Nacherbe sich auf diese Unwirksamkeit berufen kann. Die Unwirksamkeit wirkt automatisch für und gegen jedermann. Dies führt jedoch nicht zur Annahme der Nichtigkeit. Es ist daher eine nachträgliche Genehmigung durch den Nacherben möglich.
Rz. 30
Nach § 2113 Abs. 1 BGB ist die Verfügung des Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück oder Recht an einem Grundstück nach Eintritt der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als dadurch das Recht des Nacherben vereitelt oder beeinträchtigt wird. Hierunter fallen alle dinglich wirkenden Übertragungen, Belastungen, Inhaltsänderungen und die Aufgabe eines Grundstücksrechts, ferner die Bewilligung einer Vormerkung, die Erbbaurechtsbestellung sowie Rangrücktritt von Grundpfandrechten. Vom Erwerber eines vom Vorerben erworbenen Grundstückes kann der Nacherbe die Berichtigungsbewilligung nach § 894 BGB verlangen. Der Nacherbenvermerk im Grundbuch bewirkt keine Grundbuchsperre.
Rz. 31
Hiervon gibt es allerdings zwei Ausnahmen:
Ist das der Vor- und Nacherbschaft unterliegende Nachlassvermögen bspw. in einer Erbengemeinschaft gesamthänderisch gebunden, so kann der Vorerbe die Auseinandersetzung nach § 2042 BGB betreiben. Der Zustimmung des Nacherben bedarf es hierzu nicht. Dies hat weiter zur Folge, dass bei solchen Grundstücken ein Nacherbenvermerk nicht eingetragen wird (§ 51 GBO). Geschieht dies dennoch, ist das Grundbuch unrichtig. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Vorerben bereits der oder die anderen Anteil(e) an demselben Grundstück gehört/gehören oder der oder die weiteren Grundstücksanteil(e) in dritter Hand ist/sind. Der Erlös aus der Auseinandersetzung ist Surrogat gem. § 2111 BGB.
Nach § 2113 BGB sind dem Vorerben unentgeltliche Verfügungen nicht gestattet, ausgenommen sind Pflicht- und Anstandsschenkungen.
Rz. 32
Ebenso wenig ist die Zustimmung des Nacherben erforderlich bei der Kündigung und Einziehung des Kapitals bei Grundpfandrechten (§ 2114 BGB). Das Einziehungsrecht besteht jedoch nur eingeschränkt. Das durch den Vorerben eingezogene Kapital muss für den Vor- und Nacherben zur gemeinsamen Verfügung hinterlegt werden. Die Auszahlung direkt an den Vorerben kann nur dann erfolgen, wenn dieser die Einwilligung des Nacherben nachweisen kann.
3. Verwaltungsrecht des Vorerben
Rz. 33
Der Vorerbe hat den Nachlass ordnungsgemäß zu verwalten. Dabei haftet er gem. § 2131 BGB dem Nacherben gegenüber nur für die Sorgfalt, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört auch die Berichtigung von Nachlassverbin...