Florian Enzensberger, Maximilian Maar
Rz. 62
Der Erblasser kann über den Zeitpunkt oder das Ereignis, zu dem der Nacherbfall eintreten soll, frei bestimmen (§§ 2103 bis 2106 BGB). Trifft er keine Bestimmung, tritt der Nacherbfall mit dem Tod des Vorerben ein (§ 2106 Abs. 1 BGB). Es wird regelmäßig dem Wunsch des geschiedenen Erblassers entsprechen, dass seine Kinder aus der geschiedenen Ehe bis zu ihrem Tod Vorerben bleiben. Normalerweise wird der geschiedene Testator den Nacherbfall so bestimmen, dass er mit dem Tod des Vorerben eintritt. Ausnahmsweise soll die Nacherbfolge bereits zu einem früheren Zeitpunkt eintreten, nämlich für den Fall der lebzeitigen Veräußerung eines Nachlassgegenstandes durch den Vorerben an eine der ausgeschlossenen Personen. In jedem Fall sollte aber dafür Sorge getragen werden, dass der Nacherbfall nicht erst nach dem Tode des Vorerben eintritt. Für diesen Fall würde die Rechtsstellung des Vorerben auf seine eigenen Erben übergehen, wenn er nach dem Erbfall, aber noch vor dem Nacherbfall stirbt. Sollte dann eine der ausgeschlossenen Personen zum Kreis der Erben des Vorerben gehören, so würde dieser über die Stellung als Vorerbe am Nachlass des geschiedenen Erblassers teilhaben.
Unzulässig ist es, die Wahl des Zeitpunkts oder des Ereignisses dritten Personen zu überlassen (§ 2065 BGB).
1. Erbeinsetzung unter Bedingung und Befristung
Rz. 63
Der Eintritt der Nacherbfolge kann auch von einer Bedingung oder Befristung abhängig gemacht werden. An der Zulässigkeit bedingter Zuwendungen bestehen keine Zweifel (§§ 2074, 2075 BGB). Im Rahmen eines Geschiedenentestaments bietet es sich an, den Eintritt der Nacherbfolge unter eine auflösende Bedingung zu stellen. Die auflösende Bedingung soll eintreten, wenn der Ex-Ehegatte vor oder gleichzeitig mit dem Vorerben sterben sollte.
Formulierungsbeispiel
Ich setze mein Kind A zu meinem alleinigen Erben ein. Es soll jedoch nur Vorerbe werden.
Als Nacherben bestimme ich die bei Eintritt des Nacherbfalls vorhandenen Abkömmlinge des Vorerben entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolgeordnung.
Die Nacherbfolge ist jedoch auflösend bedingt und entfällt mit dem Tod meines Ex-Ehegatten B.
Entspricht es dem Willen des Erblassers, nicht nur seinen früheren Ehegatten, sondern auch dessen einseitige Verwandte von seinem Vermögen auszuschließen, muss die auflösende Bedingung weiter gefasst werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass zwar nicht der frühere Ehegatte, aber dessen Eltern oder Geschwister als gesetzliche Erben des Kindes an der Nachlasssubstanz des Erblassers partizipieren.
Formulierungsbeispiel
Ich setze mein Kind A zu meinem alleinigen Erben ein. Es soll jedoch nur Vorerbe werden.
Als Nacherben bestimme ich die bei Eintritt des Nacherbfalls vorhandenen Abkömmlinge des Vorerben entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolgeordnung. Der Nacherbfall soll mit dem Ableben des Vorerben eintreten.
Die Nacherbfolge ist jedoch auflösend bedingt und entfällt, wenn beim Ableben des Vorerben weder mein früherer Ehegatte B noch dessen einseitige, also nicht auch mit mir verwandte, gesetzliche Erben des Vorerben sind.
Rz. 64
Grundsätzlich ist der Vorerbe den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen der §§ 2113 ff. BGB unterworfen und damit auch gehindert unentgeltliche Verfügungen zu tätigen. Beim Geschiedenentestament ist es jedoch nicht die primäre Absicht des Erblassers, den Vorerben in seiner Handlungsfreiheit einzuschränken. Dies ist in der Regel nur eine unerwünschte Nebenwirkung des Ziels, den Ex-Partner von der Erbschaft auch mittelbar auszuschließen. Deshalb wird der Erblasser den Vorerben so weit als möglich von den gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreien (siehe Rdn 44 ff.). Dies muss aber nicht zwingend sein. Möglicherweise ist die Interessenlage eine andere. Befürchtet der Erblasser nämlich, dass sich der Vorerbe seinem früheren Ehegatten zuwendet, kann er dessen Handlungsfreiheit noch weiter beschränken, als es das Gesetz im Rahmen der Vorerbschaft vorsieht. Er kann bspw. eine Verwaltungstestamentsvollstreckung anordnen oder aber den Nacherbfall eintreten lassen, für den Fall, dass der Vorerbe bestimmte Handlungen zugunsten des früheren Ehegatten vornimmt.
Formulierungsbeispiel
Die Nacherbfolge tritt jeweils mit dem Tod des Vorerben ein. Die Nacherbfolge tritt aber auch dann ein, wenn der betreffende Vorerbe seine Vorerbenstellung auf meinen früheren Ehepartner X, dessen einseitige Abkömmlinge oder dessen Verwandte aufsteigender Linie überträgt oder lebzeitige Verfügungen, gleich welcher Art, zugunsten meines früheren Ehepartners X, dessen einseitigen Abkömmlingen oder dessen Verwandten aufsteigender Linie vornimmt.
2. Zeitliche Schranken
Rz. 65
§ 2109 Abs. 1 S. 1 BGB beschränkt die Wirkung der Anordnung der Nacherbfolge auf die Dauer von 30 Jahre nach dem Erbfall. Nach Ablauf der Frist wird die Nacherbfolge automatisch unwirksam. Der Vorerbe wird Vollerbe. Der Nachlass des Erblassers steht ihm zur freien Verfügung. ...