a) Überblick
Rz. 145
In § 55 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Verweisung auf § 104 Abs. 2 ZPO reduziert worden. Die bisherige vollständige Verweisung und damit auch auf § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO hatte keinen Sinn und hat darüber hinaus nur zu Missverständnissen und fehlerhaften Festsetzungen geführt. Dieser Fehler ist jetzt korrigiert worden.
b) Kein Vorsteuerabzug
Rz. 146
In der vormaligen Fassung verwies § 55 Abs. 5 S. 1 RVG pauschal auf § 104 Abs. 2 ZPO. Damit war auch § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO erfasst. Formal gesehen wurde damit auch die Regelung in § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO für entsprechend anwendbar erklärt, wonach zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen die Erklärung des Antragstellers genügt, dass er diese Beträge nicht als Vorsteuer abziehen kann. Diese Verweisung war jedoch sinnlos, da es hinsichtlich der Festsetzung der Vergütung des beigeordneten oder bestellten Anwalts nicht auf eine Vorsteuerabzugsberechtigung ankommen konnte. Im Verhältnis zwischen beigeordnetem und bestelltem Rechtsanwalt zur Staatskasse geht es nämlich um die Abrechnung der Vergütung und nicht um eine Kostenerstattung, wie im Fall des § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO. Ein Anwalt, der eine Vergütung erhält, muss darauf Umsatzsteuer abführen, sofern die Tätigkeit nicht ausnahmsweise einmal umsatzsteuerfrei ist. Muss er aber Umsatzsteuer abführen, dann gehört die Umsatzsteuer als Auslagentatbestand gemäß Nr. 7008 VV RVG zu seiner Vergütung.
Rz. 147
Die Frage einer Vorsteuerabzugsberechtigung stellt sich nur bei Ausgaben, nicht aber bei Einnahmen.
c) Unerheblichkeit des Vorsteuerabzugs des Mandanten
Rz. 148
Die bisherige Verweisung in § 55 Abs. 1 S. 1 RVG auf § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO hatte darüber hinaus zu weiteren Missverständnissen geführt. Aufgrund der vorgenannten Verweisungsregelung waren nämlich einzelne Gerichte der Auffassung, dass der Anwalt aus der Landeskasse keine Umsatzsteuer erhalte, wenn die von ihm vertretene Partei, der er beigeordnet oder für die er bestellt worden war, zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Diese Auffassung hat insbesondere das OLG Celle vertreten.
Rz. 149
Rz. 150
In den Gründen hat sich das OLG Celle dann ausdrücklich auf die Verweisungsregelung des § 55 RVG auf § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO berufen. In der Begründung hat das OLG Celle weiterhin ausgeführt, es könne ja nicht sein, dass der Kostenerstattungsanspruch bei Vorsteuerabzugsberechtigung des Mandanten auf den Nettobetrag beschränkt sei, die Landeskasse aber den Bruttobetrag zahlen müsse.
Rz. 151
Hierbei hat das OLG Celle verkannt, dass es sich bei der Kostenerstattung nach den §§ 103 ff. ZPO um den Erstattungsanspruch des Mandanten handelt, während es im Verfahren nach § 55 RVG um den Vergütungsanspruch des Anwalts geht.
Rz. 152
Beispiel:
Der Anwalt war der zum Vorsteuerabzug berechtigten Partei für einen Rechtsstreit über eine Forderung in Höhe von 10.000,00 EUR beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens hatte der Anwalt wie folgt abgerechnet (altes Recht):
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3100 VV RVG |
|
399,10 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, § 49 RVG, Nr. 3104 VV RVG |
|
368,40 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
787,50 EUR |
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4. |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
|
149,63 EUR |
|
Gesamt |
|
937,13 EUR |
Rz. 153
Nach der Rechtsprechung des OLG Celle hätte die Landeskasse jetzt nur den Nettobetrag der Vergütung i.H.v. 787,50 EUR zahlen müssen.
Rz. 154
Nicht erklärt hat das OLG Celle, wie der Anwalt in diesen Fällen an seine Umsatzsteuer i.H.v 149,63 EUR kommen sollte. An das Finanzamt abführen musste er die Umsatzsteuer ja auf jeden Fall. Zum einen wäre daran zu denken gewesen, wegen der Umsatzsteuer die Partei in Anspruch zu nehmen. Insoweit müsste man sich dann aber erst einmal über die Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinwegsetzen. Dies ließe sich noch damit begründen, dass sich die Beiordnung auf die Nettogebühren erstrecke und hinsichtlich der Umsatzsteuer die Sperrwirkung nicht greife. Damit wäre das Problem aber nur theoretisch gelöst worden. Eine Partei, die ratenfreie Prozesskostenhilfe erhält, wird häufig auch nicht in der Lage sein, die Umsatzsteuer zu entrichten. Auch die Abtretung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Finanzamt würde hier wenig weiterhelfen, da das Finanzamt im Zweifel den Anspruch aus dem Vorsteuerabzug mit anderen Steuerschulden verrechnen wird.
Rz. 155
Faktisch müsste der Anwalt also – würde man der Auffassung des OLG Celle folgen – die Umsatzsteuer aus seinem Nettohonorar begleichen. Seine Vergütung würde sich also um 19 % verringern.
Rz. 156
Auch auf einen Kostenerstattungsanspruch nach § 126 ZPO könnte der Anwalt nicht reflektieren, da es sich insoweit um einen übergegangenen Kostenerstattungsanspruch der Partei handelt und hier folglich die Vorsteuerabzugsberechtigung wieder zu berücksichtigen wäre (s. Rdn 158).
Rz. 157
Die...