1. Die neue Textfassung
Rz. 14
§ 14 Rahmengebühren
(1) 1Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. 2Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwalts kann bei der Bemessung herangezogen werden. 3Bei Rahmengebühren, die sich nicht nach dem Gegenstandswert richten, ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. 4Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
(2) Ist eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen, ist die Gebühr, auf die angerechnet wird, so zu bestimmen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.
(3) 1Im Rechtsstreit hat das Gericht ein Gutachten des Vorstands der Rechtsanwaltskammer einzuholen, soweit die Höhe der Gebühr streitig ist; dies gilt auch im Verfahren nach § 495a der Zivilprozessordnung. 2Das Gutachten ist kostenlos zu erstatten.
2. Die inhaltliche Änderung
a) Die gesetzlich geregelten Fälle
Rz. 15
In § 14 RVG ist ein neuer Absatz 2 eingeführt, der die Anrechnung von Rahmengebühren betrifft. Der bisherige Absatz 2 wird dadurch zu Absatz 3.
Rz. 16
Mit dieser Regelung soll die doppelte Berücksichtigung einer Vorbefassung bei Satz- und Betragsrahmengebühren vermieden werden. Die Vorschrift untersagt, bei der Bestimmung einer Rahmengebühr, auf die eine andere Rahmengebühr anzurechnen ist, die Vorbefassung im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG gebührenmindernd zu berücksichtigen. Vielmehr ist die nachfolgende Rahmengebühr so zu bestimmen, als habe es keine Vorbefassung gegeben. Es darf also weder von einem geringeren Umfang noch von einer geringeren Schwierigkeit aufgrund der Vorbefassung ausgegangen werden.
Rz. 17
Mit der Neufassung stellt der Gesetzgeber klar, dass die Gebührenbestimmung für die Gebühr, auf die anzurechnen ist, nach § 14 Abs. 1 RVG so zu treffen ist, als sei der Anwalt in der anzurechnenden Angelegenheit erstmals tätig geworden. Es werden also die Bemessungskriterien des § 14 Abs. 1 RVG fiktiv erhöht, so, wie sie bei einem nicht vorbefassten Anwalt anzunehmen wären. Hiernach wird dann die Anrechnung vorgenommen.
Rz. 18
Ebenso wie bei den Gebührenanrechnungen mit festen Gebührensätzen soll damit bewirkt werden, dass die Vorbefassung ausschließlich durch die Anrechnung erfasst wird und es nicht zu einer Doppelverwertung der Vorbefassung kommt.
Rz. 19
Die Regelung in Abs. 2 ist an sich nicht neu. Entsprechende Regelungen waren bereits in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3, Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 und Vorbem. 6.4 Abs. 2 S. 3 VV RVG enthalten. Sie galten jedoch nur für die Anrechnung der Geschäftsgebühr. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass es auch weitere Anrechnungsfälle gibt. Daher wurde konsequenterweise das Doppelverwertungsverbot in § 14 RVG integriert, sodass es nunmehr für alle Anrechnungsfälle gilt.
Rz. 20
Folgerichtig sind gleichzeitig im Vergütungsverzeichnis Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3, Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 und Vorbem. 6.4 Abs. 3 S. 2 VV RVG aufgehoben worden.
Rz. 21
Beispiel:
Der Anwalt war in einem verwaltungsrechtlichen Verwaltungsverfahren tätig und anschließend im Widerspruchsverfahren.
Angefallen ist sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG mit einem Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Dabei ist für jede Gebühr der Gebührensatz gesondert nach § 14 Abs. 1 RVG zu bestimmen, und zwar insbesondere nach Umfang und Schwierigkeit.
Rz. 22
Faktisch ist es jetzt so, dass das Widerspruchsverfahren für den Anwalt dadurch etwas weniger umfangreich und weniger schwierig geworden ist, dass er zuvor im Verwaltungsverfahren tätig war und sich dort bereits eingearbeitet hatte. Von daher hätte man strikt nach dem bisherigen Wortlaut des § 14 Abs. 1 RVG die Vorbefassung mindernd berücksichtigen müssen.
Rz. 23
Dieses Vorgehen hätte aber dem Anrechnungssystem widersprochen. Ein vorbefasster Anwalt wäre dann nämlich doppelt benachteiligt worden. Zum einen wäre der Gebührensatz im Widerspruchsverfahren aufgrund der vorangegangenen Tätigkeit im Verwaltungsverfahren geringer anzusetzen. Zum anderen würde sich die Vergütung im Widerspruchsverfahren noch um die Anrechnung der vorherigen Geschäftsgebühr verringern. Daher war in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 4 VV RVG bereits nach der bisherigen Fassung klargestellt, dass die Vorbefassung im Verwaltungsverfahren bei der Gebührenbestimmung im Widerspruchsverfahren nicht mindernd berücksichtigt werden darf. Dabei bleibt es, lediglich mit dem Unterschied, dass sich diese Regelung jetzt nicht mehr aus Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 4 VV RVG, sondern in dem neuen § 14 Abs. 2 RVG ergibt.
Rz. 24
Die gleiche Regelung galt in sozialrechtlichen Verfahren, deren Abrechnung sich gem. § 3 RVG nach Betragsrahmen richtet. Da hier – im Gegensatz zu den Wertgebühren – auch im gerichtlichen Verfahren Rahmengebühren entstehen, war eine weitere entsprechende Regelung in Vorb...