a) Erbrechtliche Lösung – Güterrechtliche Lösung – Kleiner Pflichtteil
Rz. 29
Sofern die Ehepartner im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet waren, kann der Überlebende zwischen der erbrechtlichen Lösung (§ 1371 Abs. 2 BGB) und der güterrechtlichen Lösung wählen. Nach §§ 1931 Abs. 3, 1371 Abs. 1 BGB erhöht sich in diesen Fällen der ¼-Ehegattenerbteil um ein weiteres Viertel. Daraus folgt, dass der Ehegatte neben Erben der ersten Ordnung zu einer Quote von insgesamt ½ und neben Verwandten der zweiten und dritten Ordnung zu einer Quote von insgesamt ¾ als Erbe berufen ist. Bei einer so vorgenommenen pauschalen Erhöhung der Erbquote um ein weiteres Viertel kommt es nicht darauf an, ob der überlebende Ehepartner einen Zugewinnausgleichsanspruch gehabt hätte oder wie lange die Ehe bestand. Mit diesem "güterrechtlichen Viertel" wird pauschal dem Ende der Zugewinngemeinschaft durch Tod des Ehegatten Rechnung getragen und ein etwaiger Ausgleichsanspruch des Überlebenden pauschal abgegolten. Vor allem bei kurzer Ehedauer oder einem hohen Anfangsvermögen des Erblassers stellt die erbrechtliche Lösung den überlebenden Ehegatten besser als bei der im nachfolgenden beschriebenen güterrechtlichen Lösung.
Rz. 30
Bei der güterrechtlichen Lösung wird der Ehegatte kein Erbe. Ihm steht statt der pauschalen Abgeltung des Zugewinnausgleichs durch Erhöhung des gesetzlichen Erbteils um ¼ (siehe oben Rdn 29) die Möglichkeit offen, die Erbschaft auszuschlagen und nach den Zugewinnvorschriften der §§ 1372 bis 1390 BGB den errechneten konkreten Zugewinnausgleich sowie den Pflichtteil aus dem erbrechtlichen Anteil zu verlangen. Dem Ehegatten steht der Pflichtteilsanspruch zu, da er nach § 2303 Abs. 2 BGB zu den pflichtteilsberechtigten Personen zählt. Dieser Pflichtteil bestimmt sich dabei allerdings nicht nach dem erhöhten, gesetzlichen Erbteil des § 1371 Abs. 1 BGB. Für die Anwendung des IPR bzw. der EuErbVO ist wichtig, dass der EuGH entschieden hat, dass § 1371 Abs. 1 BGB erbrechtlich zu qualifizieren ist. Für die Pflichtteilsberechnung in diesen Fällen verbleibt es bei der Grundregel des § 1931 Abs. 1 und 2 BGB. Das bedeutet, dass dem Ehegatten bei Vorhandensein von Abkömmlingen ein Pflichtteilsanspruch von lediglich ⅛ des Rein-Nettonachlasses und neben Verwandten der zweiten Ordnung eine Pflichtteilsquote i.H.v. ¼ zusteht.
Zwei Fallvarianten sind für die güterrechtliche Lösung maßgeblich:
(1) Der Ehegatte ist ausdrücklich enterbt und ihm wurde auch kein Vermächtnis zugewandt, § 1371 Abs. 2 BGB.
(2) Weiterhin sind die Fälle umfasst, in denen der Ehegatte – gesetzlicher oder testamentarischer – Erbe oder Vermächtnisnehmer wird, er die Erbschaft bzw. das Vermächtnis jedoch ausschlägt.
Beachte
Eine Ausschlagung dieser Art muss sich allerdings auf das Erbe und gleichzeitig auch auf das Vermächtnis beziehen. Es genügt nicht, wenn der Ehegatte nur die Erbschaft, nicht aber das Vermächtnis ausschlägt!
Rz. 31
§ 1371 Abs. 3 BGB gibt dem überlebenden Ehegatten ein Ausschlagungsrecht. Hinter der gesetzlichen Regelung steht der Gedanke, dass dem ausschlagenden Ehegatten neben dem Zugewinnausgleich der Pflichtteilsanspruch auch dann verbleibt, wenn dieser ihm nach erbrechtlichen Vorschriften nicht zustünde. Macht der Ehegatte dann diesen Pflichtteilsanspruch geltend, handelt es sich dabei um den kleinen Pflichtteil. Nur hierauf hat der Ehegatte einen Anspruch gem. § 1371 Abs. 2 BGB. Das bedeutet, dass sich der Pflichtteilsanspruch nur aus der zugrunde liegenden Quote des § 1931 BGB errechnet. Dem überlebenden Ehegatten steht somit hinsichtlich der Ausübung des Ausschlagungsrechts nach § 1371 Abs. 3 BGB das Wahlrecht zu, ob er also die ihm zugewendete Erbschaft oder das Vermächtnis annimmt oder den Zugewinnausgleichsanspruch zusammen mit dem kleinen Pflichtteil geltend machen will.
b) Überlegungen zur Ausübung des Ausschlagungsrechts gem. § 1371 Abs. 3 BGB
Rz. 32
Ob der überlebende Ehegatte die Ausschlagung erklären soll, ist auf den Einzelfall bezogen zu ermitteln. Dabei spielen Überlegungen eine Rolle, die wie folgt vom erbrechtlichen Berater berücksichtigt werden sollten:
Zu beachten ist, ob sich der Ehegatte auf seine Zugewinnausgleichsforderung möglicherweise Vorempfänge nach § 1380 BGB anrechnen lassen muss. Auch sollte überlegt werden, ob damit zu rechnen ist, dass Erben ein Leistungsverweigerungsrecht i.S.d. § 1381 BGB möglicherweise geltend machen. Ebenso ist eine mögliche Stundung des Zugewinnausgleichsanspruchs durch das FamG zu beachten. Aufzuklären ist auch, ob möglicherweise der Ehegatte, der den Zugewinnausgleich einfordert, nach § 1383 BGB Vermögensgegenstände des Erblassers anstelle von Geld erhält. Nicht außer Acht zu lassen ist die Möglichkeit, das Endvermögen nach § 1375 Abs. 2 BGB fiktiv zu erhöhen, sof...