a) Rechtsgrundlagen
Rz. 141
Der Zuwendungsverzichtsvertrag ist ein vom zugrunde liegenden Kausalgeschäft zu trennendes, abstraktes Rechtsgeschäft zwischen dem Erblasser und einem Dritten. In der Praxis relevant wird der Zuwendungsverzichtsvertrag insbesondere nach der eingetretenen Bindungswirkung bei gemeinschaftlichen Testamenten, Geschäftsunfähigkeit des Erblassers oder der Umgehung der Rechtsfolgen des § 2287 BGB. Durch einen Zuwendungsverzicht erlangt der "gebundene" Erblasser also seine Testierfreiheit zurück, wobei genau zwischen einem Zuwendungsverzicht und einem Erbverzicht zu differenzieren ist. Der Verzicht auf Zuwendungen ist in § 2352 BGB normiert. Dabei ist zwischen dem Verzicht auf testamentarische Zuwendungen und Zuwendungen aufgrund eines Erbvertrags zu unterscheiden. Die Aufhebung eines Zuwendungsverzichtsvertrags ist nach § 2351 BGB möglich.
b) Neuregelung des § 2352 BGB
Rz. 142
Nach § 2352 S. 3 BGB gelten §§ 2347–2349 BGB für den Zuwendungsverzichtsvertrag. Da der Zuwendungsverzicht ein Unterfall des Erbverzichts ist, bedarf er nach § 2348 BGB der notariellen Beurkundung.
Für die Praxis äußerst bedeutsam ist der Verweis auf § 2349 BGB, wonach sich der Zuwendungsverzicht auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verzichtende für seinen Verzicht vollständig oder teilweise abgefunden wird oder nicht.
Der Gesetzgeber lässt allerdings zu, dass die Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge ausgeschlossen werden kann, sofern nicht ein anderes im Verzichtsvertrag bestimmt wird.
Praxishinweis
Will der Erblasser diese Folge ausschließen, muss er ausdrücklich bestimmen, dass diese vermutete Erstreckung nach § 2352 BGB nicht gelten soll.
Aus der Übergangsregelung des Art. 229 § 23 Abs. 4 S. 2 EGBGB folgt, dass die Erstreckung auf die Abkömmlinge entsprechend § 2349 BGB auch für einen Zuwendungsverzichtsvertrag gilt, der vor dem 1.1.2010 vereinbart wurde. Sollte sich der vor diesem Zeitpunkt beurkundete Zuwendungsverzicht ausdrücklich nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstrecken, ist i.R.d. Auslegung zu prüfen, ob nicht stillschweigend ein Ausschluss der Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden vereinbart ist.
Rz. 143
Beachtet werden muss, dass sich beim Abschluss eines Zuwendungsverzichtsvertrags keine Erstreckungswirkung ergibt, wenn
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eine andere Person als ein Abkömmling Verzichtender ist; also z.B. beim Verzicht des Ehegatten, Lebenspartners oder eines Elternteils, eine andere Person als Abkömmlinge zum Ersatzerben berufen sind; dies gilt beim Schwiegerkind oder Patenkind als eingesetztem Ersatzerben, |
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der Erbteil des Verzichtenden nach § 2094 BGB einem Dritten anwächst. |
Rz. 144
Ein weiteres Praxisproblem besteht darin, wenn der Zuwendungsverzichtsvertrag bestimmt, dass der Verzicht nur für einen von mehreren Abkömmlingen gelten soll. Die Erstreckungswirkung des Zuwendungsverzichtsvertrags soll sich in diesen Fällen abweichend von § 2349 letzter Hs. BGB und § 2352 S. 3 BGB nicht auf alle Abkömmlinge beziehen. Beim Pflichtteilsverzicht ist dies strittig. Hier wird die Rspr. abzuwarten sein.
c) Verzicht auf testamentarische und erbvertragliche Zuwendungen
Rz. 145
Auf eine Zuwendung testamentarischer Art kann uneingeschränkt verzichtet werden. Sofern auf erbvertragliche Zuwendungen verzichtet werden soll, ist Voraussetzung, dass der Bedachte "Dritter", somit nicht Vertragspartner des Erbvertrags ist. Der Begriff des "Dritten" ist einschränkend aufgrund einer teleologischen Reduktion auszulegen, wobei die bloße Mitunterzeichnung noch nicht genügt, wenn mehr als zwei Personen den Erbvertrag unterschrieben haben, um den Mitunterzeichner schon zum Vertragspartner zu erheben und den Zuwendungsverzicht auszuschließen. Somit ist als "Dritter" jeder anzusehen, der am Abschluss des Erbvertrages nicht formell beteiligt war, bei einem mehrseitigen Erbvertrag jeder, zu dessen Gunsten eine vertragsgemäße Verfügung enthalten ist und der Erbvertragspartner selbst, sofern die Aufhebung wegen einer inzwischen eingetretenen Geschäftsunfähigkeit des Erblassers nicht mehr möglich wird. Der Zuwendungsverzichtsvertrag ist formbedürftig, §§ 2352 S. 2, 2348 BGB. Der Formzwang gilt in selbiger Weise für das Kausalgeschäft. Der Zuwendungsverzichtsvertrag kann auch unter eine Bedingung gestellt werden. Die Aufhebung des Zuwendungsverzichtsvertrags ist analog § 2351 BGB durch notariellen Vertrag ausnahmsweise dann möglich, wenn der Erblasser den Rechtszustand vor dem Verzicht durch Verfügung von Todes wegen nicht vollständig wiederherstellen könnte.