Rz. 101
Unter den in § 2339 BGB abschließend aufgezählten Erbunwürdigkeitsgründen besteht die Möglichkeit, jemanden vom Erbrecht auszuschließen. Der Erbunwürdige verliert ebenfalls einen ihm zustehenden Pflichtteils- oder Vermächtnisanspruch.
Rz. 102
Die Erbunwürdigkeitsgründe des § 2339 BGB sind nicht analogiefähig. Die fehlende Analogiefähigkeit der Vorschrift ist allerdings bestritten. Eine Erweiterung der Erbunwürdigkeitsgründe wurde bisher abgelehnt. Das BVerfG hat das Pflichtteilsrecht als unentziehbare und bedarfsunabhängige Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass des Erblassers der Erbrechtsgarantie des Art. 14 GG unterstellt. Daher ist es in der Praxis extrem schwierig, eine Erbunwürdigkeit auch gerichtlich durchzusetzen. Das Pflichtteilsrecht hat im Rahmen der Reform des Erb- und Verjährungsrechts im Hinblick auf die Erbunwürdigkeitsgründe kaum Änderungen erfahren. Die Gründe für die Erbunwürdigkeit erschließen sich aus § 2339 Abs. 1 BGB direkt.
Zu beachten ist allerdings, dass die Erbunwürdigkeitsgründe des § 2339 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BGB dann nicht eintreten, wenn vor dem Eintritt des Erbfalls diejenige Verfügung, zu deren Errichtung der Erblasser bestimmt oder in Ansehung derer die Straftat begangen wurde, unwirksam wurde, oder die Verfügung, zu deren Aufhebung er bestimmt wurde, unwirksam geworden sein würde. Diesbezüglich ist also die Prüfung einer möglichen Wirksamkeit der Verfügung und des Zeitpunkts deren Unwirksamkeit notwendig. Insofern fehlt es dann an einem Kausalzusammenhang zwischen der Handlung des potentiell Erbunwürdigen und der Errichtung bzw. Aufhebung der letztwilligen Verfügung. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die letztwillige Verfügung vor der "schädigenden Handlung" widerrufen wurde oder der Bedachte vorverstorben ist.
a) Verhältnis des § 2339 BGB zu § 2078 BGB
Rz. 103
Die Anfechtungsgründe der §§ 2078 ff. BGB sind dann unzureichend, wenn dem Begünstigten ein Erbrecht zusteht, das durch eine Anfechtung nicht (mehr) entzogen werden kann. Für diese Fälle ist dem Erblasser die Möglichkeit des § 2339 Abs. 1 BGB eröffnet. Ist die Erbunwürdigkeit erfolgreich durch Klage geltend gemacht worden, werden alle zugunsten des Erbunwürdigen ergangenen letztwilligen Verfügungen unwirksam, unabhängig davon, ob sie durch die Täuschung verursacht worden sind oder nicht. Die Anfechtung nach § 2078 BGB hingegen hat nur die Unwirksamkeit der irrtumsbedingt errichteten Verfügungen zur Folge; sind erbrechtliche Verfügungen des Erblassers teilbar, bleibt der Rest der Verfügung trotz der Anfechtung wirksam.
b) Praktische Hinweise zu § 2339 BGB
Rz. 104
Nach § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist erbunwürdig, wer den Erblasser vorsätzlich oder widerrechtlich daran gehindert hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten oder aufzuheben. Diese "schädigende Handlung" kann auch durch Gewalt, Täuschung oder Drohung erfolgen. Auch die Ausnutzung einer Willensschwäche oder Zwangslage des Erblassers ist hierunter zu subsumieren. Der bloße Versuch dieser Handlungen hingegen reicht nicht aus. § 2339 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch auf den Erbverzicht anwendbar. § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB zielt auf die Fälle der arglistigen Täuschung hinsichtlich der Willensbildung des Erblassers ab. Da eine Täuschung auch durch Unterlassen begangen werden kann, fragt sich, ob eine Offenbarungspflicht des Bedachten für bestimmte Umstände besteht, deren Unterlassen die Willensbildung des Erblassers nach dieser Vorschrift beeinflusst hat. Insbesondere bei fortdauerndem ehewidrigem Verhältnis, das verschwiegen wird, obwohl der ehebrecherische Begünstigte weiß, dass der andere Ehegatte im Vertrauen auf die eheliche Treue das Testament zu seinen Gunsten errichtet, geht die Rspr. davon aus, dass dieser Ehegatte erbunwürdig ist. Allerdings macht der BGH diese Offenbarungspflicht davon abhängig, zu welchem Zeitpunkt die eheliche Verfehlung vorliegt. Je länger diese zurückliegt, umso weniger ist von einer Offenbarungspflicht auszugehen. Aufgrund der Lebenserfahrung ist die eheliche Treue für den Ehegatten, der den anderen Ehepartner testamentarisch einsetzt, regelmäßig immer als tragendes Motiv der Willensbildung anzusehen. Dasselbe gilt auch für gleichgeschlechtliche Lebenspartner nach dem LPartG. Die von der Lit. kritisierte Rspr. hat bisher deren Linie nicht verlassen.
Praxishinweis
Sofern der Erbunwürdigkeitsgrund des § 2339 Abs. 1 Nr. 3 BGB wegen ehelicher Verfehlungen des begünstigten Ehegatten geltend gemacht werden soll, sind wegen des von der Rspr. angenommenen "Zeitmoments" der ehelichen Verfehlung diese Gründe unverzüglich geltend zu machen. Andernfalls droht durch faktisches Nichtstun für den Anfechtenden der Verlust der Anfechtungsmöglichkeit nach § 234...