Rz. 112
Der Erbverzicht ist in §§ 2346–2352 BGB geregelt. Nach § 2346 Abs. 1 BGB können die Verwandten sowie der Ehegatte auf das gesetzliche Erbrecht gegenüber dem Erblasser verzichten. Der Erbverzichtsvertrag wirkt deshalb verändernd auf die künftige gesetzliche Erbfolge ein. Der Erbverzicht ist ein abstrakter Verfügungsvertrag mit negativem Inhalt. Sofern ein Verwandtschaftsverhältnis noch nicht begründet ist, kann schon vor Begründung desselben der Verzicht auf das sich künftig ergebene Erb- und Pflichtteilsrecht erklärt werden. Eine Beschränkung des Erbverzichts auf einzelne Nachlassgegenstände ist unzulässig, da dies dem Grundsatz der Universalsukzession widerspräche. Wird dieser Verzichtsvertrag geschlossen, ist allerdings eine Umdeutung in einen Bruchteilsverzicht möglich. Eine weitere Beschränkung des Erbverzichts ist möglich, indem eine Beschränkung auf den Verzicht eines Hoferbrechts nach der HöfeO, ein Verzicht auf einen früheren Erbersatzanspruch nach § 1934b Abs. 2 BGB a.F. oder eines Vorbehalts des Pflichtteilsrechts vereinbart wird. Er kann deshalb auf die o.g. Vertragsvarianten beschränkt werden. Der Erbverzicht kann erblasserseits nur zu dessen Lebzeiten vertraglich abgeschlossen werden. Daher kann auch ein schwebend unwirksamer Erbverzicht nicht durch nachträgliche Genehmigung wirksam werden, sofern die Genehmigung erst nach dem Erbfall erfolgt. Hatte ein Vertragspartner bei Abschluss eines Ehe- und Erbverzichtsvertrages hingegen Teile seines Vermögens verschwiegen, ist der Verzichtsvertrag nicht sittenwidrig.
aa) Formalien des Erbverzichtsvertrags
Rz. 113
Nach § 2348 BGB bedarf der Erbverzichtsvertrag der notariellen Beurkundung. § 2348 BGB regelt lediglich die Formbedürftigkeit des Erbverzichts als abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft. Eine entsprechende Anwendung der Norm auf dingliche Vollzugsgeschäfte, die mit einem Erbverzicht im Zusammenhang stehen, kommt grundsätzlich nicht in Betracht. Regelmäßig liegt dem Erbverzichtsvertrag als schuldrechtliches Kausalgeschäft ein Abfindungsvertrag zugrunde. Auch dieses Kausalgeschäft bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Die Frage, ob auch das dem abstrakten Erbverzicht zugrunde liegende Kausalgeschäft ebenfalls der Formvorschrift des § 2348 BGB unterworfen ist, hat der BGH abschließend noch immer nicht entschieden.
Rz. 114
Anders als beim Erbvertrag ist beim Erbverzichtsvertrag die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien nicht notwendig. Der Erblasser kann den Vertrag gem. § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB nur persönlich schließen. Hingegen ist die Stellvertretung des Verzichtenden grundsätzlich zulässig. Der in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Erblasser bedarf hingegen nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters. Lediglich der Geschäftsunfähige kann sich durch seinen gesetzlichen Vertreter vertreten lassen, wobei hierbei die Genehmigung des Vormundschafts- bzw. Betreuungsgerichts zusätzlich erforderlich ist.
Rz. 115
Ein Erbverzicht kann auch in einem gerichtlichen Prozessvergleich protokolliert werden, um die Formvorschrift einzuhalten.
bb) Erbverzichtsvertrag durch konkludenten Vertragsschluss?
Rz. 116
Höchst umstritten ist, ob ein Verzichtsvertrag auch konkludent geschlossen werden kann. Nach der Rspr. des BGH soll unter gewissen Voraussetzungen ein stillschweigender Verzicht zulässig sein. Das soll z.B. dann der Fall sein, wenn in einem gemeinschaftlichen Testament die Ehegatten einen Dritten zum Erben berufen oder wenn das ehegemeinschaftliche Kind Vertragspartner eines Erbvertrages ist, in dem sich die Eltern wechselseitig zu Alleinerben einsetzen. Dann soll sich ein stillschweigender Verzicht des Ehegatten, bzw. ein stillschweigender Pflichtteilsverzicht des Kindes als Vertragspartner ergeben. Die h.M. tritt dieser Rspr. mit dem Argument entgegen, dass andernfalls der Schutzzweck des § 2348 BGB umgangen werde. Auch die neuere Rspr. des BGH scheint sich nunmehr dieser Rechtsmeinung anzuschließen.
Praxishinweis
Bei Erbverträgen ist die Pflichtteilsproblematik des Verfügenden offen anzusprechen und in der Vertragsurkunde ist niederzulegen, dass ein Pflichtteilsverzicht mit der niedergelegten letztwilligen Verfügung nicht verbunden sein soll. Sofern der Pflichtteilsverzicht gewünscht wird, kann er mit dem Erbvertrag in einer Urkunde verbunden werden.