Rz. 133
Der Pflichtteilsverzichtsvertrag ist eine Unterart des Erbverzichts. Daher gelten die vorherigen Ausführungen sinngemäß für diese Art des Verzichtsvertrages, wobei allerdings teilweise wesentliche Abweichungen vorhanden sind. Als besondere Form des Erbverzichtsvertrags kann ein Pflichtteilsverzichtsvertrag nur persönlich abgeschlossen werden. Die Vertretung des (künftigen) Erblassers ist dabei ausgeschlossen. § 2347 Abs. 2 S. 1 BGB ist insoweit auch auf einen Pflichtteilsverzicht anwendbar.
Rz. 134
Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag kann auch zeitlich nach dem Tod des Erblassers mit dem Erben abgeschlossen werden. Ein solcher Pflichtteilsverzicht ist als Erlassvertrag anzusehen. Der Hintergrund liegt in dem Dilemma eines Pflichtteilsberechtigten, der sich nachträglich vom Pflichtteilsanspruch lösen will. Ihm stehen keine ausdrücklichen erbrechtlichen Instrumentarien dafür zur Seite. Ein Anfechtungsrecht sieht das Pflichtteilsrecht insoweit nicht vor. Um die negative Erbrechtsfreiheit umzusetzen, ist auf einen allgemeinen Erlassvertrag zurückzugreifen. Nur auf diese Weise ist der mündlich erklärte Pflichtteilsverzicht als Erlassvertrag anzunehmen.
Ist in der notariellen Urkunde nicht hinreichend deutlich geregelt, ob die Parteien einen Erbverzicht oder einen Pflichtteilsverzichtsvertrag abschließen wollten, ist im Zweifel eine einschränkende Auslegung vorzunehmen, die für den Verzichtenden am günstigsten ist. Das gesetzliche Erbrecht wird durch einen Pflichtteilsverzicht nicht geändert. Dadurch bleibt dem Verzichtenden und seinem Stamm das gesetzliche Erbrecht erhalten. Der Pflichtteilsverzichtsvertrag erstreckt sich auch auf den Pflichtteilsrestanspruch aus §§ 2305, 2307 BGB. Gleiches gilt für den Pflichtteilsergänzungsanspruch. Beim Pflichtteilsverzicht unterscheidet der BGH zwischen dem Pflichtteilsrecht, das bis zum Tod des Erblassers besteht, sowie dem Pflichtteilsanspruch, der erst mit dem Tod entsteht. Hingegen sieht die h.M. im Pflichtteilsrecht ein Rechtsverhältnis, das den Tod des Erblassers überdauert und sich mit dem Erben fortsetzt.
Praxishinweis
Sofern Pflichtteilsverzichtsverträge nicht sofort wirksam werden, ist eine zusätzliche Vereinbarung dahingehend aufzunehmen, dass zugleich auf alle künftigen Pflichtteilsansprüche, die erst mit dem Tod des Erblassers entstehen, ebenfalls verzichtet wird.
Rz. 135
Erfolgt der Verzicht unentgeltlich, stellt das keine Schenkung des Verzichtenden gegenüber dem Erblasser dar. Wird hingegen eine Abstandszahlung für den Verzicht geleistet, wird diese als Schenkung gewertet. Dies hat zur Folge, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche entstehen können. Sie sind durch die objektive Beeinträchtigung des Berechtigten begrenzt. Der Pflichtteilsverzicht kann gem. § 2351 BGB wieder aufgehoben werden. Sofern Ehegatten mit einem ihrer Abkömmlinge einen Erbvertrag schließen, können diese Erklärungen ggf. gleichfalls als Verzicht des Schlusserben auf seinen Pflichtteil mit gleichzeitiger Annahme dieses Verzichtsangebots durch die Erblasser ausgelegt werden, sofern der Erbvertrag dahin zielt, dass die Ehepartner sich zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen und den am Vertrag beteiligten Abkömmling zum Schlusserben berufen, während den anderen Abkömmlingen Vermächtnisse für den Fall zugewendet werden, dass sie auf ihre Pflichtteilsansprüche verzichten. Ergänzend hat der BGH ausgeurteilt, dass ein notarielles gemeinschaftliches Ehegattentestament die stillschweigende Erklärung des Erb- oder Pflichtteilsverzichts des einen Ehegatten und das Verhalten des anderen Ehepartners die Annahme dieses Verzichts enthalten kann.
Beachte
Sofern sich Ehepartner unterhalb der Pflichtteilsquote bedenken, kann darin ein stillschweigender Pflichtteilsverzicht liegen, sodass ein solcher Verzicht zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen beurkundet werden sollte.
Nicht selten wird in einem Ehe- und Erbvertrag zugleich eine Gütertrennung vereinbart und die Ehegatten setzen ihre jeweiligen Kinder aus erster Ehe zu deren jeweiligen Erben ein. In dieser in der Praxis häufig vorkommenden Vertragsgestaltung ist kein stillschweigender Pflichtteilsverzicht nach dem Tod des ersten Ehegatten zu sehen.