Rz. 49
Die im Hinblick auf eine Scheidung vorgenommene Trennung ändert das gesetzliche Erbrecht des jeweiligen Ehegatten noch nicht. Das ändert sich allerdings mit der Rechtshängigkeit eines Scheidungsantrags. Liegt ein gemeinschaftliches Testament der Ehegatten vor, ist für jeden Ehepartner ein einseitiger Rücktritt hiervon möglich, §§ 2296, 2271 Abs. 1 BGB. Liegt ein Erbvertrag vor, ist ein solcher Rücktritt nur bei einem entsprechenden Rücktrittsvorbehalt möglich. Fehlt diese Rücktrittsklausel, ist die Möglichkeit zur Selbstanfechtung wegen Irrtums über die erfolgte Trennung gem. §§ 2281, 2078 Abs. 2 BGB eröffnet. Prozessual trägt der Anfechtende die Beweislast für diesen Irrtum.
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten entfällt bereits dann, wenn beim Erbfall die Scheidung zwar noch nicht ausgesprochen, jedoch schon vom Erblasser beantragt war, oder wenn dieser dem Scheidungsantrag des anderen/überlebenden Ehepartners gegenüber dem Gericht zugestimmt hatte. Allerdings müssen die Voraussetzungen der Scheidung vorgelegen haben, § 1933 S. 1 BGB. In prozessualer Hinsicht bedeutet dies, dass der Scheidungsantrag vor dem Todestag des Erblassers rechtshängig geworden sein muss. Anhängigkeit des Scheidungsantrages bei Gericht genügt hierfür nicht. Zum Zeitpunkt des Erbfalls müssen deshalb die Scheidungsvoraussetzungen festgestellt sein.
Rz. 50
Die fehlende Zustimmung zu einem Scheidungsantrag zu Protokoll des Familiengerichts lässt deshalb das Erbrecht des Ehegatten bestehen. Die nur außerhalb des Scheidungsverfahrens gegenüber dem Ehegatten abgegebene Erklärung, sich mit der Scheidung einverstanden zu erklären, reicht für die Annahme einer Zustimmung im Sinne des § 1933 BGB nicht aus. Maßgeblich ist allein, ob und welche Erklärungen der Erblasser innerhalb des Ehescheidungsverfahrens gegeben hat.
Praxishinweis
Um das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten während des Scheidungsverfahrens auszuschließen, sollte der Antragsgegner im Scheidungsverfahren selbst einen Scheidungsantrag stellen. Andernfalls könnte der ursprüngliche Antragsteller den Scheidungsantrag zurücknehmen und dadurch das Ehegattenerbrecht bestehen lassen.
Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehepartners bleibt allerdings bestehen, wenn nur der überlebende Ehegatte die Scheidung beantragte, diese aber noch nicht vom Gericht durchgeführt wurde. Der Zustimmung zur Ehescheidung steht ein eigener Scheidungsantrag gleich.
Rz. 51
Da es für den Verlust des Ehegattenerbrechts auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages ankommt, ist eine erst nach dem Tod erfolgte Zustellung des Scheidungsantrags an den verstorbenen Ehepartner nicht geeignet, eine Rückwirkung zu entfalten. Deshalb bleibt das Ehegattenerbrecht bestehen, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers keine Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags vorliegt.
Praxishinweis
Wird die Zustimmung zur Scheidung nicht erteilt, oder die Härteklausel gem. § 1568 BGB verneint, sollte unverzüglich eine Verfügung von Todes wegen gefertigt werden; dies gilt auch, wenn bei einer streitigen Scheidung die Folgesachen auch streitig bleiben.
Rz. 52
Bei einverständlichen Scheidungen werden regelmäßig Scheidungsfolgenvereinbarungen fixiert. Hierbei wird häufig übersehen, auch die erbrechtliche Seite mitzuregeln. Um die Konsequenzen des § 1933 BGB nicht auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags zu verschieben, sollte auch ein Erb- und Pflichtteilsverzicht in die Scheidungsfolgenvereinbarung aufgenommen werden.
Rz. 53
Derjenige, der sich auf die Voraussetzungen des § 1933 BGB beruft (Wegfall des Ehegattenerbrechts), trägt hierfür die Beweislast dahingehend, dass zum Zeitpunkt des Erbfalls der Scheidungsgrund bestand. Ist das Ehegattenerbrecht nach § 1933 BGB weggefallen, verliert der überlebende Ehegatte auch sein Pflichtteilsrecht. Er hat allerdings u.U. gegen die Erben des Erblassers einen nachehelichen Unterhaltsanspruch nach §§ 1569 bis 1586b, 1933 S. 3 BGB. Der Voraus nach § 1932 BGB steht dem Ehegatten allerdings nicht (mehr) zu.
Rz. 54
Sind ausländische Scheidungsurteile für die Frage des gesetzlichen Ehegattenerbrechts oder dessen Verlust zu berücksichtigen, gelten Sonderregeln.