Rz. 107

Die Erbunwürdigkeit wird durch Anfechtung des Erbschaftserwerbs geltend gemacht und ist erst nach dem Anfall der Erbschaft zulässig; einem Nacherben gegenüber kann die Anfechtung erfolgen, sobald die Erbschaft dem Vorerben angefallen ist, § 2340 Abs. 1 und 2 BGB. Die Anfechtung kann nur innerhalb der in § 2082 BGB bestimmten Fristen erfolgen. Daher ist die Anfechtung nur binnen Jahresfrist ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes möglich. Die Frist beginnt, wenn der Anfechtungsberechtigte vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt. Diese positive Kenntnis ist dann anzunehmen, wenn der Anfechtungsberechtigte von der die Erbunwürdigkeit begründenden Tatsache sowie der Tatsache Kenntnis erlangt, durch welche die Anfechtung zulässig wurde (sc. der Erbanfall an den Erbunwürdigen).

 

Praxishinweis

Da die Anfechtungsfrist erst dann beginnt, wenn dem Anfechtungsberechtigten das Vorhandensein der Beweismittel bekannt ist,[173] kann der Anfechtungsberechtigte zunächst ein Privatgutachten einholen, mit dessen Zugang dann die Jahresfrist beginnt.

 

Rz. 108

Sind seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen, ist die Anfechtung wegen Erbunwürdigkeit ausgeschlossen, § 2340 Abs. 3 i.V.m. § 2082 Abs. 3 BGB.

 

Rz. 109

Da die Erbunwürdigkeit nicht von Gesetzes wegen eintritt, ist sie durch Anfechtungsklage geltend zu machen.[174] Für den der Klage zugrunde zu legenden Gegenstandswert ist der Wert der gesamten Beteiligung des Beklagten/Erbunwürdigen am Nachlass heranzuziehen.[175] Die Feststellung der Erbunwürdigkeit hat durch Anfechtungsklage des Berechtigten zu erfolgen, also von demjenigen, dem der Wegfall zu statten kommt. Sie ist vor den ordentlichen Gerichten zu führen. Höchstrichterliche Rspr. zur Frage, ob die Erbunwürdigkeitsklage prozessual mittels Anerkenntnisurteils erledigt werden kann, fehlt bisher. Das hängt davon ab, ob bei Vorliegen von Erbunwürdigkeitsgründen die Dispositionsmaxime für die Parteien überhaupt gilt oder es, da es sich um eine "Statusfrage" im weiteren Sinne handelt, keine Möglichkeit der Parteien gibt, über diesen Verfahrensgegenstand zu verhandeln.[176] Das LG Aachen[177] verneint die Disposition zugunsten der Parteien, das LG Köln[178] und zuletzt das LG Karlsruhe[179] sehen hingegen ein prozessuales Anerkenntnis als zulässig an.

 

Rz. 110

Wurde der Erbunwürdige in einem vorangegangenen Strafprozess bereits wegen eines zur Erbunwürdigkeit führenden Delikts rechtskräftig verurteilt (z.B. wegen Urkundenfälschung durch Änderung eines Testaments), ist das Zivilgericht bei der anschließenden Anfechtungsklage an diese strafrechtliche Würdigung nicht gebunden. Vielmehr muss das Zivilgericht die Tatbestandsvoraussetzungen z.B. des § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB selbstständig prüfen und auch die Beweismittel hierzu selbst prüfen. Andernfalls verstößt es gegen den im Zivilprozess geltenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung.[180] Wird im Prozess substantiierter Vortrag zur Erbunwürdigkeit des eingesetzten Erben geleistet, darf die gerichtliche Beweisaufnahme nicht deshalb unterbleiben, weil das Gericht meint, das angebotene Beweismittel sei ungeeignet oder unerreichbar; zumindest die Parteivernehmung ist in aller Regel durchzuführen, andernfalls das Gericht das rechtliche Gehör des Antragstellers/Klägers verletzt.[181]

 

Rz. 111

Wird parallel zu einer Erbunwürdigkeitsklage eine Erbenfeststellungsklage erhoben, kann die Feststellungsklage bis zur Entscheidung über die Erbunwürdigkeitsklage ausgesetzt werden; eine Aussetzungspflicht besteht für das Gericht allerdings nicht.[182]

Ist der Erbe selbst pflichtteilsberechtigt, dann ist im Antrag auf Feststellung der Erbunwürdigkeit regelmäßig auch eine Anfechtungserklärung nach § 2345 BGB zu sehen.[183] Die Wirkung der Anfechtung tritt mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils ein, § 2343 Abs. 2 BGB. Die Formulierung der Erbunwürdigkeitsklage kann wie folgt aussehen.[184]

 

Formulierungsbeispiel: Erbunwürdigkeitsklage

Es wird beantragt, den Beklagten als (Mit)-Erben am Nachlass des am (…) in (…) verstorbenen (…) für erbunwürdig zu erklären.

[173] Staudinger/Olshausen, § 2340 Rn 16.
[174] Klinger/Maulbetsch, NJW-Spezial 2006, 349 f.; Muscheler, ZEV 2009, 101 ff.
[175] BGH NJW 1970, 197.
[176] Unberath, ZEV 2008, 465 ff.
[177] LG Aachen NJW – RR 1988, 263 f.
[178] LG Köln NJW 1977, 1738.
[179] LG Karlsruhe – 8 O 464/07 – n.v., mit Anm. Maulbetsch, ZErb 2008, 1.
[180] BGH NJW-RR 2005, 1024 m. Anm. Klinger, NJW-Spezial 2005, 350.
[181] BGH ZEV 2013, 34 = BeckRS 2012, 20994, mit Anm. Roth, NJW-Spezial 2012, 711.
[182] OLG Rostock BeckRS 2011, 29178, mit Anm. Roth, NJW-Spezial 2012, 40.
[183] Kind/Bittler, in: Bonefeld/Kroiß/Tanck, Der Erbprozess, § 2 Rn 70.
[184] Bsp. nach Münchener AnwaltHB Erbrecht/Buch-Heine, § 30 Rn 37.

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