Dr. iur. Nikolas Hölscher
a) Pflichtteilsrechtliche Gleichstellung
Rz. 18
Durch das Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften vom 22.2.2001 ist seit dem 1.8.2001 der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossene überlebende gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartner (zu den Voraussetzungen siehe § 1 LPartG) ebenfalls pflichtteilsberechtigt, sofern die Lebenspartnerschaft beim Erbfall noch rechtsgültig bestand (§ 10 Abs. 6 S. 1 LPartG). Nach § 10 Abs. 6 S. 2 LPartG gelten die Vorschriften des BGB über das Pflichtteilsrecht mit der Maßgabe entsprechend, dass der Lebenspartner wie ein Ehegatte zu behandeln ist. Diese Gleichstellung bezieht sich insb. auf die Vorschriften, in denen es um die Pflichtteilsansprüche anderer Personen geht. Daher sind die pflichtteilsrechtlichen Auswirkungen von Schenkungen an den gleichgeschlechtlichen Lebenspartner genauso zu beurteilen wie solche an den Ehegatten, so dass insb. dann die Verlängerung der Ausschlussfrist des § 2325 Abs. 3 S. 3 BGB entsprechend gilt; die Zehn-Jahres-Frist beginnt daher nicht vor Aufhebung der Lebenspartnerschaft (siehe § 15 LPartG).
b) Höhe des Pflichtteilsanspruchs des Lebenspartners
Rz. 19
Nach § 10 Abs. 6 S. 1 LPartG kann der gleichgeschlechtliche Lebenspartner als Pflichtteil die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils verlangen.
aa) Erbteil des überlebenden Lebenspartners
Rz. 20
Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Lebenspartners bestimmt sich im Wesentlichen wie der eines Ehegatten. Sein Erbteil wird dabei in zwei Schritten ermittelt:
▪ |
Zunächst ist der Erbteil nach den Regeln des gesetzlichen Erbrechts ohne Berücksichtigung der Besonderheiten zu bestimmen, die sich aus einem etwa bestehenden Güterstand ergeben. Dabei beträgt der Erbteil neben Verwandten der ersten Ordnung ein Viertel, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben Großeltern die Hälfte (§ 10 Abs. 1 S. 1 LPartG). Sind weder Verwandte der ersten noch der zweiten Ordnung noch Großeltern vorhanden, so erhält der überlebende Lebenspartner die ganze Erbschaft (§ 10 Abs. 2 S. 1 LPartG). |
▪ |
Anschließend ist zu prüfen, ob sich der Erbteil wegen des in der eingetragenen Lebenspartnerschaft geltenden Güterstands verändert. Der Güterstand der Lebenspartner wirkt sich dabei wie bei Ehegatten auf ihre gesetzliche Erbquote aus. Bei der Zugewinngemeinschaft (§ 6 LPartG) erhöht sich daher diese um ein Viertel, da § 6 S. 2 LPartG auf § 1371 BGB verweist und somit zunächst die sog. erbrechtliche Lösung gilt (siehe § 3 Rdn 48 ff.). Galt der Güterstand der Gütertrennung, so ordnet § 10 Abs. 2 S. 2 LPartG die gleiche Rechtsfolge wie § 1931 Abs. 4 BGB an, um zu verhindern, dass der überlebende eingetragene Lebenspartner bei Vorhandensein von einem oder zwei Kindern einen kleineren Erbteil als diese erhält. |
bb) Pflichtteilsrecht
Rz. 21
Für das Pflichtteilsrecht ergibt sich daraus: Besteht zwischen den gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern keine Zugewinngemeinschaft, so beträgt der Pflichtteil neben Erben der ersten Ordnung ein Achtel, bei Gütertrennung neben einem Kind aber ein Viertel und neben zwei Kindern ein Sechstel, neben Erben der zweiten Ordnung oder Großeltern ein Viertel und neben sonstigen Verwandten die Hälfte (§ 10 Abs. 6 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 LPartG).
Praxishinweis
Für die Überlegungen des überlebenden Lebenspartners zur "taktischen Ausschlagung" gilt grundsätzlich das Gleiche wie für den Ehegatten. Die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem "lebenspartnerschaftlichen Güterrecht" erfolgt in dem besonderen Verfahren gem. § 269 Abs. 1 Nr. 10 FamFG als Familienstreitsache vor dem Familiengericht als Abteilung des Amtsgerichts (§§ 23a Nr. 6, 23b GVG).
c) Wegfall des Pflichtteils des Lebenspartners
Rz. 22
Das Erb- und damit auch das Pflichtteilsrecht des überlebenden gleichgeschlechtlichen Lebenspartners entfällt
▪ |
mit Rechtskraft der Entscheidung, welche die Lebenspartnerschaft aufhebt (§ 15 Abs. 1 LPartG, sog. Entpartnerung); |
▪ |
nach § 10 Abs. 3 LPartG, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers
▪ |
die Voraussetzungen für die Aufhebung der Lebenspartnerschaft nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 LPartG nach Wahrung der dort genannten Aufhebungsfristen gegeben waren und der Erblasser die Aufhebung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (Nr. 1) oder |
▪ |
der Erblasser einen Antrag auf Aufhebung wegen unzumutbarer Härte nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 LPartG gestellt hatte und dieser Antrag begründet war (Nr. 2). |
|
Auch wenn das Erb- und Pflichtteilsrecht nach § 10 Abs. 3 LPartG erlischt, kann sich ein Anspruch auf nachpartnerschaftlichen Unterhalt ergeben (§§ 10 Abs. 3 S. 2, 16 LPartG, § 1586b BGB).