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Im Verhältnis zwischen Mutter und nichtehelichen Abkömmlingen besteht ohne jede zeitliche Einschränkung ein volles Erb- und Pflichtteilsrecht. Im Verhältnis zwischen dem nichtehelichen Vater und seinen Abkömmlingen war dies lange Zeit anders: Nach Art. 12 § 10 Abs. 2 S. 1 NEhelG besaßen vor dem 1.7.1949 geborene nichteheliche Kinder nach wie vor kein gesetzliches Erbrecht nach ihrem Vater, und umgekehrt, wenn der Erblasser am 3.10.1990 seinen Wohnsitz in den alten Bundesländern hatte (Art. 235 § 1 Abs. 2 EGBGB). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jedoch am 28.5.2009 in der Sache Brauer ./. BRD entschieden, dass diese Differenzierung die vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder in ihren Rechten aus Art. 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) i.V.m. Art. 8 EMRK verletzt.[1] Die Gründe für die Regelung seien heute nicht mehr zeitgemäß und könnten die unterschiedliche Behandlung wegen der nichtehelichen Geburt nicht mehr rechtfertigen.[2]

Der Gesetzgeber reagierte auf diese Entscheidung mit dem Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetz vom 12.4.2011.[3] Durch dieses wurden für künftige Erbfälle alle vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichgestellt und sind grundsätzlich gesetzliche Erben nach ihren Vätern. Für Erbfälle vor dem 29.5.2009 hatte der Gesetzgeber jedoch eine Fortgeltung der alten Rechtslage vorgesehen. In zwei aktuellen Entscheidungen (Mitzinger ./. BRD und Wolter und Sarfert ./. BRD) hat der EGMR auch diese Regelung als für mit der EMRK nicht vereinbar erachtet. Der BGH hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Umsetzung dieser Rechtsprechung des EGMR befasst.[4] Die Rechtslage für solche Erbfälle ist dennoch nach wie vor nicht völlig abschließend geklärt.

Nachfolgend werden zunächst die zwischenzeitlich unstreitigen Erbrechte nichtehelicher Kinder nach dem Zweiten Erbrechtsgleichstellungsgesetz dargestellt (siehe Rdn 8 ff.). Sodann folgt eine Darstellung der Erbrechte nichtehelicher Kinder bei Erbfällen vor dem 29.5.2009 (siehe Rdn 11 ff.).

[1] EGMR ZEV 2009, 510 = FamRZ 2009, 1293; vgl. dazu Leipold, ZEV 2009, 488.
[2] EGMR ZEV 2009, 510 = FamRZ 2009, 1293; vgl. dazu Leipold, ZEV 2009, 488.
[3] BGBl I 2011, 615; dazu Krug, ZEV 2011, 397; Bäßler, ZErb 2011, 92, 95 ff.; Leipold, FPR 2011, 275; Rebhan, MittBayNot 2011, 285.
[4] BGH v. 12.7.2017/IV ZB 6/15, BeckRS 2017, 119215

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