Dr. K. Jan Schiffer, Eberhard Rott
Rz. 6
Im Rahmen der Angemessenheitsbestimmung nach § 2221 BGB geht es darum, einen Betrag zu finden, der sowohl die Interessen des Testamentsvollstreckers an einer auskömmlichen Vergütung als auch die Interessen der Zahlungspflichtigen, also regelmäßig der Erben, in praktische Konkordanz bringt.
I. Formel der Rechtsprechung
Rz. 7
Die Rechtsprechung greift hierbei auf eine Formel zurück, die der Bundesgerichtshof vor mittlerweile über 60 Jahren entwickelt hat. Danach gilt Folgendes:
Zitat
"Für die Vergütung des Testamentsvollstreckers (ist) der ihm im Rahmen der Verfügung von Todes wegen nach dem Gesetz obliegende Pflichtenkreis, der Umfang der ihn treffenden Verantwortung und die von ihm geleistete Arbeit maßgebend, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder der Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen und auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind."
Rz. 8
Nach herkömmlichem Verständnis erfolgt damit die Angemessenheitsbestimmung funktionell bezogen auf die vom Testamentsvollstrecker durchzuführenden "Arbeiten". Es fragt sich allerdings, ob das bloße Abstellen auf den konkreten Pflichtenkreis des Testamentsvollstreckers und die von ihm geleistete Arbeit angesichts der rasanten Entwicklung, den die Testamentsvollstreckung in den letzten Jahren in Richtung eines besonderen Tätigkeitsfeldes gemacht hat, nicht zu einer Modifikation dieses Gedankens zwingt.
II. Sicht des Testamentsvollstreckers
Rz. 9
Aus der Sicht des Testamentsvollstreckers ist festzustellen, dass sich die tatsächlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen in den zurückliegenden fünfzehn Jahren deutlich geändert haben. Die bisherige Rechtsprechung datiert überwiegend aus Zeiten, als die Testamentsvollstreckung entweder als reiner Freundschaftsdienst angesehen oder ausschließlich durch Rechtsanwälte und Notare berufsmäßig ausgeübt wurde. Das Bild der geschäftsmäßigen Testamentsvollstrecker war weitgehend einheitlich von einer vergleichbaren juristischen Grundausbildung geprägt. Dem familiär orientierten Testamentsvollstrecker wurde eine eher niedrigere Vergütung zugemutet.
Rz. 10
Mit der Zulassung der geschäftsmäßigen Testamentsvollstreckung durch Nichtjuristen hat sich für weite Berufskreise ein Tätigkeits- und Geschäftsfeld aufgetan, das bei den Diskussionen um die angemessene Testamentsvollstreckervergütung bisher noch keine Berücksichtigung hat finden können. Hier zeigt sich aktuell eine erhebliche Bandbreite von Dienstleistern. Sie reicht von den Anbietern geschäftsmäßiger Testamentsvollstreckungen, die völlig ohne eine Ausbildung und die Unterhaltung eines sie unterstützenden Büros agieren, bis hin zu hochprofessionellen Testamentsvollstreckern mit nachgewiesener Ausbildung, steter Fortbildungsverpflichtung und Abschluss einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. Es liegt auf der Hand, dass die Anwendung eines einheitlichen Vergütungssatzes für geschäftsmäßige Testamentsvollstrecker ohne Berücksichtigung ihrer in der heutigen Rechtswirklichkeit sehr unterschiedlichen Qualifikationen nicht mehr dem Angemessenheitskriterium des § 2221 BGB entsprechen kann. Schon um die "Stimmigkeit des Preis-Leistungsverhältnisses" zu erhalten, aber auch um nicht willkürlich ungleiche Sachverhalte gleich zu behandeln, kann ein Testamentsvollstrecker, der keinerlei Sonderqualifikation aufweist, keine letztendlich auch dem Schutz des Nachlasses dienende Vermögensschadenhaftpflichtversicherung unterhält, sich nicht fortbildet und keinen standesrechtlichen Restriktionen wie beispielsweise Rechtsanwälte, Steuerberater und Notare unterliegt, nicht in demselben Umfang vergütet werden, wie die Angehörigen der Berufsgruppen, die diesen Restriktionen unterliegen oder sich ihnen auch nur freiwillig unterwerfen.
Anmerkung
Bei der Neufassung des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern vom 21.4.2005 wurden diese Gedanken umgesetzt. Nach § 4 VBVG erhalten Betreuer, die über besondere Kenntnisse verfügen, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, eine höhere Vergütung. Es ist daher auch für Testamentsvollstrecker nach differenzierteren Kriterien zu suchen, damit der Qualifikation des jeweils beteiligten Testamentsvollstreckers angemessen Rechnung getragen werden kann.