Rz. 44
Die Einrede der Durchführung des Aufgebotsverfahren ist eine weitere Schonungseinrede gem. § 2015 BGB. Hierbei kann der Erbe die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahren verweigern. Dafür muss aber innerhalb eines Jahres nach der Erbschaftsannahme (§ 455 Abs. 1, 3 FamFG) das Aufgebot der Gläubiger beantragt und vom Gericht zugelassen sein, siehe § 2015 Abs. 1 BGB und § 782 ZPO. Gibt es Grund zur Annahme, dass unbekannte Nachlassverbindlichkeiten bestehen, ist der Erbe verpflichtet, die Haftung nach § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB zu vermeiden und das Aufgebotsverfahren geradewegs zu beantragen. Zudem muss der Erbe seine Erbenstellung glaubhaft darlegen können. Es kann nicht vom Erben die Vorlage eines Erbscheins verlangt werden. Vor der Erbschaftsannahme können auch der Nachlasspfleger und der Nachlassverwalter gem. § 455 Abs. 2 FamFG das Aufgebotsverfahren beantragen. Die Jahresfrist für die Bestellung des Aufgebotsverfahren durch den Nachlasspfleger oder den Nachlassverwalter ist in § 2017 BGB normiert. Der verwaltende Testamentsvollstrecker hat ein Antragsrecht nach der Erbschaftsannahme gem. § 455 Abs. 2 FamFG. Der Erbe hat auch hier die Möglichkeit, sich einen Überblick über die Nachlassverbindlichkeiten und dessen Umfang zu sichern.
Rz. 45
Ein Miterbe ist berechtigt, das Aufgebotsverfahren zu beantragen, auch wenn dieser unbeschränkt haftet gem. § 460 Abs. 1 S. 1 FamFG. Neben dem Vorerben kann der Nacherbe auch das Aufgebotsverfahren gem. § 461 FamFG beantragen. Bei einem Erbschaftskauf sind der Erbe sowie der Käufer antragsberechtigt, siehe § 463 Abs. 1 S. 1 FamFG. Besteht eine Gütergemeinschaft mit dem Erben und der Nachlass gehört zum Gesamtgut, hat der Erbe auch die Möglichkeit, den Nachlass zu verwalten und ein entsprechendes Aufgebotsverfahren gem. § 462 Abs. 1 FamFG zu beantragen.
Rz. 46
Der Antragssteller hat die Kosten für das Aufgebotsverfahren nach §§ 1970 ff. BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 FamFG selbst zu zahlen. Dafür wird eine 0,5 Gebühr berechnet gem. Nr. 15212 Ziff. 3 KV-GNotKG. Dabei stellen die Kosten des Aufgebotsverfahren Nachlassverbindlichkeiten dar.
Die Kosten in der Nachlassinsolvenz können gem. § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO geltend gemacht werden.
Rz. 47
Das Nachlassgericht fordert die Nachlassgläubiger öffentlich auf, ihre Forderungen beim Nachlassgericht anzumelden. Davon sind auch Gläubiger betroffen, die noch nicht fällige oder bedingte Forderungen geltend machen werden, wie z.B. der Rückgriffanspruch eines Bürgen. Der Erbe, welcher das Aufgebotsverfahren beantragt hat, braucht eine ihm gegen den Nachlass zustehende Forderung nicht anzumelden. Jedoch ist die Meldung bei einer Beantragung des Nachlassverwalters oder Nachlasspflegers erforderlich. Der Nachlass bleibt bei einer Erbengemeinschaft bis zur Teilung als Sondervermögen vom Eigenvermögen des einzelnen Erben getrennt. Ein Erlöschen durch Konfusion der Ansprüche der Erben gegen den Nachlass besteht nicht. Daher sind Miterben, welche Nachlassgläubiger sind, auch vom Aufgebot betroffen. Dieses Prozedere gilt gleichermaßen für einen antragsstellenden Miterben.
Rz. 48
Von dem Aufgebot nicht betroffen sind die in §§ 1971 f. BGB nicht erschöpfend genannten Nachlassgläubiger.
Zudem haben die Nachlassgläubiger bei der Anmeldung der Forderung deren Gegenstand und Grund anzugeben. Ist die Frist des Aufgebotsverfahren für die Gläubiger abgelaufen, findet der Aufgebotstermin statt, bei welchem der Richter das Urteil erlässt, in dem die vorschriftsmäßig angemeldeten Forderungen vorbehalten und die anderen ausgeschlossen werden. Ziel des Aufgebotsverfahren ist der Ausschluss von Nachlassgläubigern, die ihre Forderungen nicht anmelden. Vorteilhaft ist, dass der Erbe nach dem Aufgebot den Nachlass abwickeln kann, ohne befürchten zu müssen, mit seinem eigenen Vermögen haften zu müssen.
Rz. 49
Bei den Forderungen der Nachlassgläubiger, die ihre Forderung nicht oder nicht vorschriftsgemäß beim Nachlassgericht angemeldet haben, haftet der Erbe nur beschränkt, ohne Einleitung der Nachlassverwaltung oder der Nachlassinsolvenz. Dabei verwandelt sich die Haftung von Miterben in eine gesamtschuldnerische Haftung gem. § 2058 BGB, bei Gläubigern, die im Aufgebotsverfahren ausgeschlossen wurden. Das bedeutet, dass Gläubiger, die von dem Aufgebotsverfahren betroffen, aber gem. § 1973 Abs. 1 S. 1 BGB ausgeschlossen sind oder falls § 1974 BGB entgegensteht, gegen den Erben nur nach Bereicherungsgrundsätzen vorgehen können (§ 1973 Abs. 2 BGB i.V.m. § 328 Abs. 2 InsO). Folglich kann es dazu kommen, dass ein Vermächtnisnehmer die Erfüllung seiner Ansprüche erhält und der durch das Aufgebotsverfahren ausgeschlossene Gläubiger seine Ansprüche ganz oder teilweise nicht geltend machen kann, weil der übersteigende Betrag der Bereicherung des Erben aufgrund von § 328 Abs. 2 InsO dem Vermächtnisnehmer zusteht.
Rz. 50
Für die in § 1972 BGB genannten Gläubiger könnte jedoch die Versäumniseinrede anwendbar sei...