Rz. 53
Nach der herrschenden Auffassung hat die Erhebung der Schonungseinreden nach §§ 2014 und 2015 BGB keine materielle Wirkung. Trotz der Einreden gerät der Erbe in den Schuldnerverzug. Dieser Verzug hat zur Folge, dass der Gläubiger Schadensersatz vom Erben verlangen kann oder ein Rücktrittsrecht gem. § 326 BGB erwirkt. Die beiden Ansprüche des Gläubigers werden nicht durch die Einreden gedämpft und behalten ihren grundsätzlichen Verjährungszeitpunkt.
Rz. 54
Im Prozess führt die Geltendmachung der Einreden zur Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung gem. § 305 Abs. 1 ZPO. Für die Zwangsvollstreckung gilt dabei § 782 ZPO. Dabei ist die Vollstreckung eines Nachlassgläubigers in den Nachlass nur als Sicherungsvollstreckung möglich gem. §§ 782 f. ZPO. Die Durchsetzung des Vorbehalts wird durch die Vollstreckungsgegenklage erzeugt gem. § 767 BGB.
a) Erkenntnisverfahren: Aufnahme eines Vorbehalts in das Urteil gegen den Erben (§ 305 ZPO)
Rz. 55
Die Einreden verhindern im Prozess nicht die Verurteilung des Erben, jedoch nur unter dem Vorbehalt der beschränkten Haftung gem. § 305 Abs. 1 ZPO. Dabei muss auch der umfängliche Antrag gem. § 780 Abs. 1 ZPO gestellt werden.
b) Prozessrechtliche Wirkung des Vorbehalts
Rz. 56
Der Erbe kann in der Zwangsvollstreckung durch eine Vollstreckungsgegenklage gem. §§ 780 Abs. 1, 782, 785, 767 ZPO bewirken, dass der Gläubiger nur die bei einem Arrest zugelassenen Mittel nutzt (§§ 930–932 ZPO). Dabei handelt es sich um eine blanke Sicherungsmaßnahme. Demzufolge schränken die aufschiebenden Einreden die Vollstreckung in das Eigenvermögen ein. Wurden für die Nachlassforderung dingliche Sicherheiten bestellt, so wird trotz der Einrede ihre Verwertung nicht verhindert gem. § 2016 Abs. 2 BGB.
Rz. 57
Das Aufgebotsverfahren betrifft nur das obligatorische Recht. Deswegen werden dingliche und ähnliche Rechte gem. § 1971 BGB aus dem Aufgebotsverfahren entnommen. Hierbei sind Pfandgläubiger gem. §§ 1204, 1273 BGB und Gläubiger, welche im Insolvenzverfahren den Pfandgläubigern gleichstehen, gem. §§ 50 f. InsO ausgenommen. Außerdem sind die bei der Zwangsvollstreckung in Grundstücke Realberechtigten ausgenommen gem. § 10 ZVG. Nicht inbegriffen sind auch die Ansprüche einer Vormerkung (§ 884 BGB) oder wenn die Gläubiger im Insolvenzverfahren ein Aussonderungsrecht gem. § 47 InsO haben. Für das Ersatzaussonderungsrecht aus § 48 InsO muss jedoch tatsächlich ein Insolvenzverfahren eröffnet sein.
Rz. 58
Einflusslos ist, ob das dingliche Recht vor oder nach dem Erbfall erlangt wurde. Persönliche Forderungen, die hinter den dinglichen Rechten stehen, werden von der Ausschließung erfasst. Die Meldung solcher persönlichen Forderungen sollte wegen §§ 88, 321 InsO erfolgen, wenn man das Sicherungsrecht erst nach dem Erbfall erlangt hat.
Rz. 59
Eine Ergänzung findet § 1971 BGB in § 175 ZVG. Dabei wird dem Erben ab der Erbschaftsannahme das Recht erteilt, die Zwangsversteigerung eines Nachlassgrundstücks zu beantragen. Diese Antragsmöglichkeit steht auch denjenigen zu, die das Aufgebotsverfahren beantragen können. Sie dient dazu, dass der Erbe gegenüber den Nachlassgläubigern, die für ihre Forderung ein dingliches Recht an einem Nachlassgrundstück haben, das Ausmaß der Haftung einsehen können. Dies kann durch die Zwangsversteigerung eingesehen werden, inwieweit der Gläubiger aus dem Grundstück ausgelastet werden kann.
c) Verlust der Möglichkeiten einer Haftungsbeschränkung
Rz. 60
Ein Verlust der Haftungsbeschränkung kann in fünf Fällen vorliegen: (1) Zum einen nach § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn das Nachlassgericht dem Erben auf Antrag eine Inventarfrist gesetzt hat und diese versäumt wird, ohne dass ein Inventar errichtet wurde. (2) Zum anderen nach § 2005 Abs. 1 BGB bei einer Inventaruntreue. (3) Des Weiteren, wenn zwischen dem Erben und den Nachlassgläubigern ein Vertrag besteht bezüglich des Nachlasses etc. oder (4) auch nach § 2006 Abs. 3 BGB bei der Verweigerung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung. Dabei haftet jedoch der Erbe nur an denjenigen Gläubiger, welcher die Leistung der eidesstattlichen Versicherung verlangt hatte. (5) Zu guter Letzt besteht ein Verlust durch vorbehaltlose Verurteilung gem. § 780 Abs. 1 ZPO.
Rz. 61
Sollte einer dieser Umstände gem. § 2013 BGB den Erben betreffen, kann dieser den Zugriff der Gläubiger auf sein Eigenvermögen nicht mehr mit Haftungsbeschränkungsmaßnahmen bremsen. Das Verfahren ist dann gem. § 455 Abs. 1 Hs. 2 FamFG einzustellen. Sollte das Gericht von dem Wegfall der Antragsberechtigung des Erben keine Kenntnis und einen Ausschließungsbeschluss erlassen haben, so hat dieser keine Ausschließungswirkung gem. § 1973 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 2013 Abs. 1 BGB. Wird dieser Ausschließungsbeschluss nicht wirksam angefochten, ist er jedoch über § 327 Abs. 3 InsO im Insolvenzverfahren anwendbar. Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker sowie Nachlasspfleger bleiben weiterhin berechtigt, trotz der unbeschränkten Erbenhaftung das Aufgebotsverfahren ...