I. Einführung
Rz. 35
Es besteht die Möglichkeit, die Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Hierfür muss eine Trennung der beiden Vermögensmassen geschaffen werden. Dies geschieht durch die Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gem. § 1975 BGB (§ 317 Abs. 1 InsO).
Rz. 36
Folgenreich für die Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung ist der Haftungszeitraum des Erben. Bis zur Annahme der Erbschaft ist die Erbenstellung nur vorläufig. Bei einer Ausschlagung besteht kein Anfall an Verbindlichkeiten gem. §§ 1942 Abs. 1, 1953 Abs. 1 BGB. Haftungsmöglichkeiten haben sich durch die Ausschlagung erledigt, indes nicht für denjenigen, an den die Erbschaft danach anfällt, siehe § 1953 Abs. 2 BGB. Ein gegen den Nachlass gerichteter Anspruch gegen Erben vor der Annahme der Erbschaft kann gem. § 1958 BGB nicht geltend gemacht werden. Dabei handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, welche von Amts wegen berücksichtigt werden muss, siehe hierzu §§ 239 Abs. 5, 778, 779 ZPO. Aus diesem Grund ist eine Klage gegen den Erben vor Erbschaftsannahme unzulässig. Sollte der beklagte Erbe nach der Klagezustellung den Nachlass ausschlagen, muss der Kläger die Kosten des Rechtsstreits tragen. In dieser Zeit besteht auch mit Mahnung kein Schuldnerverzug gem. § 286 Abs. 4 BGB.
Rz. 37
Bei einer Anordnung der Nachlasspflegschaft gem. § 1960 Abs. 3 i.V.m. § 1961 BGB oder wenn ein Testamentsvollstrecker einberufen wurde gem. § 2213 Abs. 2 BGB, gilt § 1958 BGB nicht. Im Erteilungsverfahren einer Vollstreckungsklausel umhüllt § 1958 BGB den Titel gegen den Erben, sodass vor der Annahme des Nachlasses der Titel nicht auf den Erben gem. § 727 Abs. 1 BGB angewendet werden kann.
Rz. 38
Die Nachlassverwaltung sowie die Nachlassinsolvenz werden nur auf Antrag eröffnet gem. §§ 1980 und 1981 BGB und § 317 Abs. 1 InsO. Dabei sind aber auch z.B. die Dürftigkeitseinrede oder die Überschwerungseinrede ohne vorheriges förmliches Verfahren zu nennen. Bei diesen Möglichkeiten handelt es sich um Einreden der beschränkten Haftung.
Rz. 39
Grundsätzlich haftet der Erbe unbeschränkt, demnach auch mit seinem Eigenvermögen. Diese unbeschränkte Haftung gilt, sobald die Voraussetzungen einer Haftungsbeschränkung nicht mehr greifbar sind. Folglich kann der Erbe seine Beschränkungsmöglichkeiten auch verlieren.
II. Schonungseinreden
Rz. 40
Bei der Haftung direkt nach der Erbschaftsannahme sind vor allem die Schonungseinreden zu beachten. Zu diesen zählen die Dreimonatseinrede und die Aufgebotseinrede. Hierzu nun im Einzelnen:
1. Dreimonatseinrede
Rz. 41
Durch § 2014 BGB ist der Erbe berechtigt, die Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten innerhalb der ersten drei Monate nach der Erbschaftsannahme, also spätestens nach dem Ablauf der Ausschlagungsfrist zu verweigern. Diese Verweigerung gilt jedoch nicht für die Errichtung des Inventars. Die Dreimonatseinrede räumt dem Erben eine Schonungsfrist ein, damit er sich einen Überblick über den Nachlass verschaffen kann. Innerhalb der drei Monate ist der Erbe dazu verpflichtet, die Erbschaft zu ordnen und die Verbindlichkeiten sowie die Berechtigungen der Gläubiger zu prüfen. Die Dreimonatseinrede ist in schriftlicher Form einzulegen.
Rz. 42
Bei einer frühzeitigen Einreichung des Inventarverzeichnisses (§§ 1993 ff. BGB) beim Nachlassgericht, vor dem Ablauf der drei Monate, endet die Schonfrist, da aus diesem Handeln vermutet wird, dass der Erbe sich einen hinreichenden Überblick über den Nachlass verschaffen konnte. Die Dreimonatseinrede ist bei einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung zu empfehlen, weil der Erbe dadurch die Haftung nach § 1978 Abs. 1 BGB vorerst vermeiden kann.
Rz. 43
Um die Einrede erheben zu können, darf der Erbe nicht bereits unbeschränkt haften gem. § 2016 Abs. 1 BGB. Außerdem hat die Dreimonatseinrede keine Wirkungskraft gegen den dinglich gesicherten Gläubigeranspruch gem. § 2016 Abs. 2 BGB. Eine Erhebung der Einrede ist auch nicht möglich, wenn die Ansprüche aus §§ 1963 und 1969 BGB geltend gemacht werden.
2. Einrede der Durchführung des Aufgebotsverfahrens
Rz. 44
Die Einrede der Durchführung des Aufgebotsverfahren ist eine weitere Schonungseinrede gem. § 2015 BGB. Hierbei kann der Erbe die Erfüllung der Nachlassverbindlichkeiten bis zur Beendigung des Aufgebotsverfahren verweigern. Dafür muss aber innerhalb eines Jahres nach der Erbschaftsannahme (§ 455 Abs. 1, 3 FamFG) das Aufgebot der Gläubiger beantragt und vom Gericht zugelassen sein, siehe § 2015 Abs. 1 BGB und § 782 ZPO. Gibt es Grund zur Annahme, dass unbekannte Nachlassverbindlichkeiten bestehen, ist der Erbe verpflichtet, die Haftung nach § 1980 Abs. 2 S. 2 BGB zu vermeiden und das Aufgebotsverfahren geradewegs zu beantragen. Zudem muss der Erbe seine Erbenstellung glaubhaft darlegen können. Es kann nicht vom Erben die Vorlage eines Erbscheins verlangt werden. Vor der Erbschafts...