1. Einführung
Rz. 62
Grundsätzlich sollte selbstverständlich nicht bei jedem Nachlass eine Nachlassverwaltung oder ein Nachlassinsolvenzverfahren beantragt werden. Dem Erben wird vom Gesetz eine weitere Chance gewährt, trotz einer sehr geringen Vermögensmasse, die die anfallenden Kosten deckt, eine Haftungsbeschränkung herbeizuführen. Diese Chance ist die Dürftigkeitseinrede gem. § 1990 BGB, welche außergerichtlich oder im Prozess erhoben werden kann. Durch die Einrede ist eine Vermögenstrennung mit entsprechender Fremdverwaltung ausgeschlossen. Wird die Einrede ordnungsgemäß geltend gemacht, kann der Nachlassgläubiger nur auf den Nachlass zugreifen und nicht noch zusätzlich auf das Eigenvermögen des Erben Ansprüche erheben. Auf der anderen Seite besteht für den Erben die Pflicht, eine ordnungsgemäße Nachlassverwaltung zu schaffen gem. §§ 1991 Abs. 1, 1978 Abs. 1 BGB. Dabei werden die Ansprüche aus § 1978 BGB nur von den jeweiligen Nachlassgläubigern geltend gemacht, gegen die die Dürftigkeitseinrede erhoben wurde.
Rz. 63
Die Einrede kann ebenfalls von dem Nachlasspfleger oder dem Testamentsvollstrecker erhoben werden und richtet sich dabei auch gegen die Nachlassgläubiger. Eine Berechtigung zur Erhebung der Einrede für den Nachlassverwalter liegt jedoch nicht vor. Eine Berufung auf § 1990 BGB durch Miterben ist erst nach der Teilung des Nachlasses möglich. Dabei dürfte auch zur Zeit der Nachlassteilung keine deckende Masse vorhanden sein, die das Nachlassinsolvenzverfahren finanzieren könnte.
2. Arten der Dürftigkeit
Rz. 64
Es ist zwischen zwei Arten der Dürftigkeit zu unterscheiden. Einerseits gibt es die Dürftigkeit kraft Tatbestandswirkung und andererseits die tatsächliche Dürftigkeit.
a) Dürftigkeit kraft Tatbestandswirkung
Rz. 65
Ist die Anordnung einer Nachlassverwaltung aufgrund der mangelnden Nachlassmasse abgelehnt (§ 1982 BGB) oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen fehlender Nachlassmasse zurückverwiesen worden (§ 26 InsO), hat man mit bestimmten Gerichtsbeschlüssen einen Nachweis für die Dürftigkeit vorzuweisen. Dies gilt auch, wenn die Verfahren aufgrund der fehlenden Masse vorher eingestellt worden sind gem. § 1988 Abs. 2 BGB und § 207 InsO. Eine Bindung des Prozessgerichts besteht an die Feststellung des Nachlassgerichts bzw. des Insolvenzgerichts. Sonstige Nachweise für die Dürftigkeit braucht es nicht.
Rz. 66
Wegen der bestehenden und dargelegten Dürftigkeit kann der Nachlassgläubiger (hier der Kläger) keine Zahlung mehr verlangen. Als Anspruch bleibt ihm nur noch die Duldung der Zwangsvollstreckung in den Nachlass gem. § 263 ZPO. Aus diesem Grund ist es dem Nachlassgläubiger zu empfehlen, den Zahlungsantrag im Wege der Klageänderung gem. § 263 ZPO auf den Duldungsantrag umzustellen. Besteht noch Unsicherheit, ob überhaupt die Dürftigkeit des Nachlasses nachgewiesen wurde, kann der Nachlassgläubiger auch den Antrag auf Duldung der Zwangsvollstreckung als Hilfsantrag stellen.
b) Tatsächliche Dürftigkeit
Rz. 67
Liegt ein expliziter Gerichtsbeschluss nicht vor, welcher die Dürftigkeit eindeutig feststellt, hat der Erbe selbst das Bestehen der Einrede gerichtlich geltend zu machen. Dafür muss er den Umfang des Nachlasses bezüglich der Aktiva und Passiva darlegen, um die Dürftigkeit zu beweisen. Hierbei ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Einrede entscheidend, also im Prozess die letzte mündliche Tatsachenverhandlung. Ob der Nachlass schon im Zeitpunkt des Erbfalls dürftig ist, spielt keine Rolle.
Rz. 68
Sollte der Nachlass nur durch das Handeln des Erben dürftig geworden sein, da dieser z.B. eine unsachgemäße Verwaltung herbeigeführt hat, bestehen für die Gläubiger Ersatzansprüche, die dem Nachlass zugerechnet werden gem. § 1978 Abs. 2 BGB. Dadurch kann eine Dürftigkeit entfallen.
Rz. 69
Voraussetzung für die Dürftigkeitseinrede ist, dass eine die Kosten der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens deckende Masse fehlt und aus diesem Grund die Anordnung der Nachlassverwaltung oder des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht sinnvoll ist. Hierbei dient die Dürftigkeitseinrede zur Abwehr des Zugriffs der Nachlassgläubiger auf das Eigenvermögen des Erben. Eine Überschuldung des Nachlasses ist zudem nicht erforderlich für die Anwendung des § 1990 BGB. Vollkommen ausreichend ist es, wenn die Nachlassaktiva so gering sind, dass die Kosten der beiden Verfahren nicht gedeckt werden können.
3. Geltendmachung der Dürftigkeit
a) Allgemeines
Rz. 70
Es muss für die Geltendmachung und der Beweisführung der Dürftigkeitseinrede keine gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung der Anordnung des Nachlassverwaltungsverfahrens oder des Nachlassinsolvenzverfahrens vorliegen. Der Erbe kann gem. § 2002 BGB auch ein Inventar errichten, um die Dürftigkeit zu untermauern. Vollkommen ausreichend ist aber auch eine Angabe über den ursprünglichen Stand des Nachlasses und die Gründe der Dürftigkeit. Zudem steht dem Erben die M...