1. Einführung
Rz. 78
Sollte der Erblasser die Überschuldung des Nachlasses durch Anordnung von Vermächtnissen sowie Auflagen angeordnet haben, wird dem Erben die Haftungsbeschränkungsmöglichkeiten erleichtert. Dabei unterstellt das Gesetz, dass der Erblasser trotz seiner Verfügungen eine Nachlassinsolvenz oder eine Nachlassverwaltung hätte vermeiden wollen. Aus diesem Grund trifft gem. § 1980 Abs. 1 S. 3 BGB den Erben nicht die Verpflichtung eines Insolvenzantrags. Das Gesetz lässt hierbei die Erhebung einer einfachen Einrede zu. Der Erbe hat durch die Einrede das Recht, Vermächtnisnehmer und Auflagenbegünstigte nach den §§ 1990 und 1991 BGB auf den bestehenden Rechtsnachlass hinzuweisen oder eine Herausgabe der Nachlassgegenstände durch Zahlung des Wertes zu blockieren (§ 1992 S. 2 BGB).
Rz. 79
Die Überschwerungseinrede kann nicht gegenüber Pflichtteilsberechtigten oder Ersatzberechtigten geltend gemacht werden. Zusätzlich darf der Erbe sein Recht zur Haftungsbeschränkung durch die Überschwerungseinrede gem. § 1992 BGB nicht verloren haben gem. § 2013 Abs. 1S. 1 BGB. Hierbei ist zu beachten, dass es unschädlich ist, wenn der Erbe nur einzelnen Nachlassgläubigern gegenüber unbeschränkt haftet. Dabei behält er die Einrede gegenüber den anderen Gläubigern.
2. Vorrang der hypothetischen Testamentsauslegung
Rz. 80
Im Falle einer Überschwerung des Nachlasses durch Vermächtnisse oder Auflagen ist auch an die hypothetische Auslegung des Testaments zu denken und vor der Überschwerungseinrede zu prüfen, da man durch die Auslegung zur Erkenntnis gelangen kann, dass eine Überschwerung des Nachlasses gar nicht vorliegt. Somit ist vorerst zu prüfen, ob der Erblasser die Anordnungen in diesem Ausmaß so hätte stehen lassen wollen, wenn er gewusst hätte, dass der Nachlass dafür nicht ausreicht.
Hinweis
Es kann zu einer Nachlassüberschwerung kommen, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung genug Vermögen hatte, um die von ihm bestimmten Vermächtnisse erfüllen zu können, sich zum Erbfall hin seine Vermögenssituation jedoch negativ verändert hat, sodass keine hinreichende vermögensrechtlichen Mittel zur Erfüllung bestehen.
3. Überschuldung des Nachlasses
Rz. 81
Der § 1992 BGB setzt eine Überschuldung des Nachlasses voraus. Nach der herrschenden Meinung muss die Überschuldung auf Vermächtnissen und Auflagen beruhen. Aus diesem Grund ist der § 1992 BGB nicht anwendbar, wenn der Nachlass auch ohne Vermächtnisse und Auflagen überschuldet ist. Dafür spricht auch schon der eindeutige und präzise Wortlaut des § 1992 BGB. Besteht aufgrund anderer Gläubigerforderungen eine Überschuldung des Nachlasses, so hat der Erbe entweder das Nachlassinsolvenzverfahren zu beantragen oder es steht ihm die Einrede aus § 1990 BGB zu. Die im Aufgebotsverfahren ausgeschlossenen Forderungen gem. §§ 1973 f. BGB werden bei der Berechnung der Überschuldung nicht mitgerechnet.
Rz. 82
Den Erben trifft auch keine Insolvenzantragspflicht, wenn die Nachlassüberschuldung auf Verbindlichkeiten beruht, die in einem Aufgebotsverfahren ausgeschlossen sind (§§ 1973 f. BGB). Der Erbe muss unverzüglich bei einer Nachlassüberschuldung ohne Vermächtnisse oder Auflagen das Nachlassinsolvenzverfahren beantragen, gem. § 1980 Abs. 1 S. 1 BGB. Im Falle der Überschwerung i.S.d. § 1992 BGB ist er zur Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens nicht verpflichtet, aber gem. § 317 I InsO dazu berechtigt.
Rz. 83
Sollte der Erbe statt der Überschwerungseinrede den Insolvenzantrag stellen, kann das Insolvenzverfahren eröffnet werden, auch wenn nur eine Nachlassüberschuldung wegen Vermächtnissen oder Auflagen besteht. Dabei ist die Antragsstellung nicht i.S.d. § 1978 Abs. 1 BGB pflichtwidrig. Die Gläubiger, die wegen den Nachlassinsolvenzverfahrenskosten nicht in voller Höhe befriedigt werden können, können auch keinen Schadensersatz gegen den Erben geltend machen.
Eine Berechtigung der Beantragung des Nachlassinsolvenzverfahrens steht auch den Vermächtnis- und Auflagengläubigern zu. Die Überschwerungseinrede kann auch von einem Testamentsvollstrecker oder auch einem Nachlasspfleger erhoben werden.