Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 160
Im Falle eines mit einer Sozietät in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft geschlossenen Mandats haften neben der Gesellschaft alle Sozien für den gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch wegen schuldhafter Verletzung der aus den Mandat resultierenden Verpflichtungen analog §§ 128 ff. HGB persönlich.
Rz. 161
Diese umfassende persönliche Haftung auch für berufshaftungsrechtliche Verbindlichkeiten erstreckt sich in Sozietäten mit Mitgliedern unterschiedlicher Berufsgruppen (sog. gemischte oder interprofessionelle Sozietät) gem. einer Leitentscheidung des BGH vom 10.5.2012 auch auf diejenigen Sozien, die – wie etwa Steuerberater die Rechtsberatung – in eigener Person die vertraglich geschuldete Beratung nicht vornehmen dürfen.
Rz. 162
Die Haftung in einer GbR erfasst also schrankenlos neben der Gesellschaft auch alle Gesellschafter und – nach den oben unter Rdn 148 ff. dargestellten Grundsätzen zur Scheinsozienhaftung – auch alle Angestellten, die nach außen wie ein Gesellschafter auftreten.
Rz. 163
Besondere Gefahren ergeben sich mit Rücksicht auf die durch § 130 HGB angeordnete Haftung neu hinzutretender Gesellschafter für die schon vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten und durch die Nachhaftung nach §§ 736 Abs. 2 BGB, 160 HGB.
Rz. 164
Gefährlich ist die sich aus § 130 HGB ergebende Haftung für einen neu eintretenden Sozius für Verbindlichkeiten der Gesellschaft, die schon vor seinem Eintritt begründet worden sind. Denn dafür besteht unter Umständen kein Versicherungsschutz, weil Deckungskonzept und System der Berufshaftpflichtversicherung von Anwälten auf dem sog. Verstoßprinzip basieren.
Rz. 165
Dieses Verstoßprinzip manifestiert sich in der Pflicht zum Unterhalt einer Berufshaftpflichtversicherung während der Dauer der Zulassung als Anwalt nach § 51 Abs. 1 S. 1 BRAO und der Anforderung an eine Deckung für jede einzelne, Haftpflichtansprüche auslösende, Pflichtverletzung (§ 51 Abs. 2 BRAO). Dadurch soll ein mit der Zeit anwaltlicher Berufsausübung kongruenter Versicherungsschutz gewährleistet sein, da die Folgen einer anwaltlichen Schlechtleistung häufig erst lange Zeit danach in Erscheinung treten.
Rz. 166
Folge des Verstoßprinzips ist aber auch, dass Anwälte als Neueinsteiger in Sozietäten mit Haftungsansprüchen konfrontiert sein können, für die sie persönlich nicht verantwortlich sind. Bei Berufsanfängern, die ja erst mit der Zulassung eine Berufshaftpflichtversicherung unterhalten müssen, besteht kein Versicherungsschutz für solche Verstöße, die vor ihrer Zulassung begangen wurden, obwohl eine Haftung nach § 130 HGB besteht.
Rz. 167
Denn nach herkömmlichen Verständnis des für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenats des BGH ist eine Verbindlichkeit in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht schon dann begründet, wenn ihr Rechtsgrund gelegt ist, vorliegend also mit der Annahme eines Mandats, ohne dass es noch auf den späteren Zeitpunkt der Pflichtverletzung ankäme. Dem ist der für die Anwaltshaftung zuständige IX. Zivilsenat des BGH gefolgt, soweit es um die Anwendbarkeit von § 28 Abs. 1. S. 1 HGB auf Anwaltszusammenschlüsse geht.
Rz. 168
Aber auch Anwälte, die versichert sind, kann eine Deckungslücke treffen, und zwar dann, wenn sie ihren Beruf beenden oder in eine andere Sozietät mit anderweitigem Versicherungsschutz wechseln. Da die Rechtsprechung bei der Prüfung einer Nachhaftung gem. § 160 HGB bislang auf die den "Abschluss der rechtsbegründenden Tatumstände" und damit die Begründung des Mandats abstellt, kann der Versicherungsschutz für solche Sozien, die zwar bei Mandatserteilung, nicht mehr aber im Zeitpunkt des Verstoßes einer Gesellschaft angehören, entfallen sein.