Dr. iur. Alexander Weinbeer
a) Gestaltung von Eheverträgen
Rz. 282
Eine anwaltliche Haftung aus der Bearbeitung von Familiensachen resultiert nicht selten schon aus Pflichtverletzungen des Anwalts bei der Gestaltung von Eheverträgen. Dabei ist besondere Vorsicht geboten, wie sich schon aus den weitreichenden Folgen ergibt.
Rz. 283
Die grds. Disponibilität der Vertragsparteien bezüglich der Scheidungsfolgen in vertraglichen Vereinbarungen findet dann ihre Grenze, wenn dadurch eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten Ehegatten – bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede – unter verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint.
Rz. 284
Der Anwalt hat klare Regelungen im Ehevertrag zu schaffen, insbesondere mit Blick auf den Zugewinnausgleich (vgl. auch Rdn 304 ff.). So muss bspw. das Anfangsvermögen eines jeden Ehegatten klar definiert werden.
Rz. 285
Haben die Ehegatten bereits einen Ehevertrag geschlossen, muss der Anwalt diesen bei Streitigkeiten zuerst auf seine Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit überprüfen. Eheverträge unterliegen der vom BGH entwickelten Kernbereichslehre einer Inhalts- und Ausübungskontrolle.
Rz. 286
Auch sollte eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich durch beurkundungspflichtigen Ehevertrag getroffen werden, § 1410 BGB, § 7 Abs. 1, 3 VersAusglG.
b) Scheidungsfolgenvereinbarung
Rz. 287
Die Scheidungsfolgenvereinbarungen unterliegen grds. der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Allerdings darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann, obwohl es keinen Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten eines Ehegatten gibt. Daher ist ein ehevertraglicher Verzicht auf Zugewinnausgleich nicht schon deshalb unwirksam, weil ein Ehegatte – entsprechend den gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten bei Vertragsschluss – in der Ehe einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und deshalb kein im Versorgungsausgleich auszugleichendes Versorgungsvermögen erworben hat.
Rz. 288
Regelmäßig bedürfen Scheidungsfolgenvereinbarungen einer notariellen Beurkundung, speziell bei einer Abänderung bzw. eines Ausschlusses des Versorgungsausgleiches, Änderungen der Ausgleichsforderung beim Zugewinn und Grundstückübertragungen. Ist die Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen, lässt sie sich kaum oder überhaupt nicht mehr ändern. Hier ist daher höchste Sorgfalt geboten.
Rz. 289
Verschuldet der Rechtsanwalt, dass der Abschluss einer Scheidungsfolgenvereinbarung über den Ausschluss von Ansprüchen auf Versorgungs- und Zugewinnausgleich unterbleibt, so ist der in der Übertragung von Rentenanwartschaften liegende Schaden durch Zahlung desjenigen Betrags an den Versicherer auszugleichen, der erforderlich ist, um entsprechende Anwartschaften neu zu begründen.
Rz. 290
Der Mandant kann, sollte der Anwalt ihn hinsichtlich des Abschlusses eines Scheidungsfolgenvergleichs, der auf den Verzicht von wechselseitigen Versorgungsausgleichsansprüchen gerichtet ist, pflichtwidrig nicht umfassend beraten, lediglich die Feststellung begehren, vom Zeitpunkt der Rentenberichtigung an so gestellt zu werden, als sei dieser Betrag auf sein Versicherungskonto eingezahlt worden, wenn eine die Rente erhöhende Zahlung an den Rentenversicherungsträger nach dem Sozialversicherungsrecht nicht zulässig ist. Der Anwalt ist verpflichtet die Interessen des Mandanten umfassend und nach allen Richtungen wahrzunehmen und ihn vor vermeidbaren Nachteilen zu bewahren.