Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 292
Gerade bei Mandaten, die die Durchsetzung oder Abwehr von Unterhaltsansprüchen zum Gegenstand haben, muss der Anwalt auf eine konkrete und korrekte Antragsstellung achten.
Rz. 293
Es gehört zu den grundlegenden Pflichten eines Anwalts, zu Beginn eines Mandats zunächst den Sachverhalt möglichst genau zu klären, den er beurteilen soll. Dabei darf er allerdings den tatsächlichen Angaben des Mandanten vertrauen, braucht also keine eigenen Nachforschungen anzustellen, solange er deren Unrichtigkeit nicht kennt oder kennen muss. Erscheint nach den Umständen für eine zutreffende rechtliche Einordnung die Kenntnis weiterer Tatsachen erforderlich und ist deren rechtliche Bedeutsamkeit für den Mandanten nicht ohne Weiteres ersichtlich, darf sich der Anwalt nicht mit dem begnügen, was sein Auftraggeber berichtet, sondern hat sich durch zusätzliche Fragen um eine ergänzende Aufklärung zu bemühen.
Rz. 294
Der in Vergleichsverhandlungen zu einem Unterhaltsvergleich nach sittenwidrigem Ehevertrag eingeschaltete Rechtsanwalt muss dem Mandanten im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss eines Vergleichs (siehe Rdn 770 f.) sprechen und alle Bedenken, Unsicherheitsfaktoren und die seinem Mandanten durch den vorgesehenen Vergleich entstehenden Folgen erörtern. Auch sollte der Anwalt, der beim Abschluss eines Unterhaltsvergleichs mitwirkt, bei der Abfassung des Vergleichstextes für eine vollständige und richtige Niederlegung des Willens seines Mandanten und für einen möglichst eindeutigen und nicht erst der Auslegung bedürftigen Wortlaut sorgen.
Rz. 295
Vertritt der Anwalt den auf Unterhalt klagenden Ehepartner, so muss er dem wahrscheinlichen Einwand der Gegenseite, der Anspruchssteller könne eine angemessene Erwerbstätigkeit finden, gem. § 1573 BGB entgegentreten. Vorwerfbare Nichtausnutzung der Arbeitskraft führt dazu, dass der Verpflichtete so gestellt wird, als verfüge er über die tatsächlich erzielbaren Einkünfte.
Rz. 296
Gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsschuldners zwingt jedoch bei geringer Leistungsfähigkeit nicht mehr ohne Weiteres zur Aufnahme eines Nebenerwerbs, wenn der Unterhaltsschuldner vollschichtig erwerbsfähig ist. Voraussetzung einer Zurechnung fiktiver Einkünfte ist mithin, dass der Unterhaltspflichtige die ihm zumutbaren Anstrengungen, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, nicht oder nicht ausreichend unternommen hat und dass bei genügenden Bemühungen eine reale Beschäftigungschance bestanden hätte.
Rz. 297
Im Rahmen der Zurechnung fiktiver Nebenverdienste ist weiterhin zu prüfen, ob und in welchem Umfang es dem Unterhaltspflichtigen unter Abwägung seiner von ihm darzulegenden besonderen Lebens- und Arbeitssituation einerseits und der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten andererseits zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit auszuüben.
Rz. 298
Auch kann es zu einem Regress des Anwalts kommen, wenn er in einer Unterhaltssache die falsche Klage erhebt. Wird der Anwalt beauftragt, Klage zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen zu erheben, muss er im Hinblick auf § 323 ZPO zu klären versuchen, ob in der Vergangenheit schon ein Vollstreckungstitel ergangen ist, wenn der Unterhalt nicht ersichtlich erstmals tituliert werden soll. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Angaben des Mandanten in dieser Hinsicht lückenhaft sind, hat sich der Anwalt um zusätzliche Information durch ergänzende Befragung seiner Partei oder Einsicht in die Akten ihm bekannt gewordener Vorprozesse zu bemühen.
Rz. 299
Der Anwalt muss ebenfalls in einem gerichtlichen Verfahren die Befristung des nachehelichen Aufstockungsunterhalts beantragen oder diese dem Mandanten in einem gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich vorbehalten.
Rz. 300
Nach dem Grundsatz des sichersten Weges hat der Anwalt in einem Rechtsstreit um nachehelichen Unterhalt die in Betracht kommende Begrenzung des Anspruchs vorzutragen, auch wenn das Gericht dies ohnehin aufgrund des Klageabweisungsantrags des Anwalts zu erwägen hat, ein etwaiger Fehler des Gerichts des Vorprozesses entlastet den Anwalt nur, wenn dieser Fehler aus der gerichtlichen Entscheidung ersichtlich ist.
Rz. 301
Ein Anwalt, der den einem Abfindungsvergleich im Verfahren auf nachehelichen Unterhalt zugrunde liegenden Betrag falsch berechnet, ist seinem Mandanten zum Ersatz des daraus entstehenden zukünftigen Schadens verpflichtet.
Rz. 302
Eine unsorgfältige frühere Prozessführung im Erstprozess zum nachehelichen Unterhalt durch den Anwalt kann nicht mit einer Abänderungsklage in einem Folgeprozess beseitigt werden. Notwendige Folge eines früheren unvollständigen Prozessvortrags kann sein, dass eine Berücksichtigung im Abänderungsprozess wegen Präklusion nicht erfolgen kann.
Rz. 303
Neu geregelt im FamFG ist der vorläufige Rechtsschutz in Familiensachen. Für Unterhaltssachen gelten vor den allgemeinen Vorschriften der §§ 49–57 FamFG, die spezielleren §§ 246–248 FamFG. Die Einleitung eines ...