Rz. 205

Das kaum noch verständliche Substrat aus einem guten Dutzend berufsrechtlicher Vorschriften zur Mindestversicherungssumme für allein drei Berufsgruppen würde wahrscheinlich den Umfang dieses Buches sprengen, wenn man auf eine Entscheidung des II. Zivilsenats des BGH vom 16.5.2013 zur Unvereinbarkeit der bisherigen Assoziierungsvorgaben des § 59a Abs. 1 BRAO mit Art. 3 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG blickt. Danach können sich Anwälte entgegen den Vorgaben des § 59a BRAO nämlich auch mit Ärzten und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung verbinden.

 

Rz. 206

Nachdem durch § 59a Abs. 1 BRAO eine beruflichen Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten und Apothekern verboten war, wurde das BVerfG vom BGH mit der Entscheidung vom 16.5.2013 dazu aufgerufen, die Frage zu beantworten, ob § 59a Abs. 1 BRAO in der Fassung vom 12.12.2007 mit Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar ist.[160] Das BVerfG hat mit Beschl. v. 12.1.2016 festgestellt, dass das Sozietätsverbot in § 59a Abs. 1 S. 1 BRAO das Grundrecht der Berufsfreiheit verletzt, soweit es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärztinnen und Ärzten oder mit Apothekerinnen und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt.[161]

 

Rz. 207

Aufgrund einer Änderung des Gesetzes über die Berufsausübung, die Berufsvertretungen und die Berufsgerichtsbarkeit der Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker sowie der Psychologischen Psychotherapeuten und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Bayern[162] sind zwar die erwähnten dortigen Heilberufsangehörigen nunmehr nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, 46 Abs. 1, 51 Abs. 1, 59 Abs. 1 S. 1 und Art. 65 HKaG gesetzlich verpflichtet, sich gegen die aus der Ausübung ihres Berufs ergebenden Haftpflichtansprüche ausreichend zu versichern, es sei denn, dass der Berufsträger in vergleichbarem Umfang, insbesondere im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses, gegen Haftpflichtansprüche abgesichert ist.[163]

 

Rz. 208

Dabei ist zu bedenken, dass der bayerische Gesetzgeber damit nur die in den jeweiligen Berufsordnungen für die bayerischen Angehörigen der Heilberufe festgelegten Versicherungspflichten aus Gründen des Patienten- und Verbraucherschutzes auf eine gesetzliche Grundlage gestellt, gleichzeitig jedoch mit der unbestimmten Wendung des "ausreichenden Versicherungsschutzes", der auch noch durch anderweitige Absicherung des Berufsträgers obsolet sein kann, operiert hat.

 

Rz. 209

Schon an diesem, auf ein Bundesland bezogenem Beispiel zeigt sich eingedenk der Zahl der Bundesländer und der Vielzahl Freier Berufe und entsprechender unterschiedlicher Berufsordnungen die Unbrauchbarkeit des vom Gesetzgeber gewählten Organisationsmodells einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung, bei der man die Regelung der zu diesem Zweck vorgegebene Berufshaftpflichtversicherung nach § 8 Abs. 4 S. 1 PartGG einzelnen Berufsrechten vorbehält.[164]

[160] BGH, Beschl. v. 16.5.2013 – II ZB 7/11 = NJW 2013, 2674 = AnwBl 2013, 660 = BRAK-Mitt. 2013, 187.
[161] BVerfG, Beschl. v. 12.1.2016 – 1 BvL 6/13 – Ls. = NJW 2016, 700 = AnwBl 2016, 261 = BRAK-Mitt. 2016, 78; BGH, Beschl. v. 12.4.2016 – II ZB 7/11 = BGHZ 210, 48 = NJW 2016, 2263 = MDR 2016, 795–796.
[162] Sog. Heilberufe-Kammergesetz (HKaG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 6.2.2002, zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.7.2013, GVBl. 2002, S. 42.
[163] Vgl. auch BayLT-Drucks16/16145, 2, 4, 19 – zu Nr. 9 –, wonach mit Blick auf "Art der Berufsausübung und Spezialisierung eines Arztes oder Facharztes" bewusst auf die Festlegung einer bestimmten Deckungssumme im Gesetz verzichtet, gleichzeitig aber die Vorschrift über die Mindestversicherungssumme von 250.000 EUR nach § 114 Abs. 1 VVG als maßgebliche Richtschnur erwähnt wird.
[164] Zu Recht kritisch daher die Stellungnahme des DRB zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer PartGmbB vom Oktober 2012, S. 4 f., sowie von Dittberner, BT-Prot. 101 vom 7.11.2012, S. 2 f., die unter Einbeziehung auch von Ingenieuren und Architekten "die unterschiedlichen Bestimmungen zur Mindestversicherungssumme für die weitere interprofessionale Zusammenarbeit […] am hinderlichsten" bezeichnete, und von Jünemann, BT-Prot. 101 vom 7.11.2012, S. 10, der u.a. die "Schwierigkeiten bei der Rechtsdurchsetzung" betonte.

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