Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 66
Zu beachten ist, dass diejenigen Klauseln, die Ausschlussfristen enthalten, die Rechtsfolge im Falle nicht fristgerechter Geltendmachung benennen müssen. Ansonsten sind sie unwirksam. Für Arbeitgeberanwälte ist dies bspw. von Bedeutung, um sich nicht dem Vorwurf ausgesetzt zu sehen, dem Mandanten nicht zur Regelung einer wirksamen Ausschlussfrist verholfen zu haben.
Rz. 67
Beispiel
Der Arbeitgeber sah in einem vorformulierten Vertrag, den er mehrfach verwendet und im konkreten Fall nur um die persönlichen Daten des Arbeitnehmers ergänzt hatte, folgende Bestimmung vor:
"§ 21 Verwirkung von Ansprüchen"
Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von mindestens drei Monaten seit Fälligkeit des Anspruchs schriftlich geltend zu machen.“
Vom Arbeitnehmer geltend gemachte Urlaubsabgeltungsansprüche wurden vom LAG als verwirkt angesehen. Die auf die Nichteinhaltung der Ausschlussfrist gestützte Entscheidung kassierte das BAG jedoch, weil durch die Benutzung des Wortes "mindestens" keine verbindliche Frist festgelegt wurde, innerhalb derer höchstens Ansprüche geltend gemacht werden können.
Rz. 68
Aber auch Anwälte, die auf Arbeitnehmerseite tätig sind, sollten sich mit Fragen der Wirksamkeit einschlägiger Ausschlussfristen – und auch sonstiger Vertragsbestimmungen – vertraut machen, weil sich herausstellen kann, dass einschlägige Vertragsregelungen zum Nachteil ihrer Mandanten nicht zum Tragen kommen, weil sie unwirksam sind. Hierbei ist danach zu unterscheiden, in welchem Kodex betroffene (Fristen-)Regelungen enthalten sind:
(1) Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag
Rz. 69
Ausschlussfristen können grds. auch in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden. Seit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 1.1.2002 unterliegen Ausschlussfristen in vorformulierten Arbeitsverträgen einer Inhaltskontrolle nach den Maßstäben des AGB-Rechts. Bei der Regelung von Ausschlussfristen im Arbeitsvertrag werden diese Vertragsinhalt, wenn sie keine überraschende Klausel darstellen. Überraschend sind Vertragsklauseln dann, wenn sie so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihnen zu rechnen braucht, es muss ihnen ein "Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt" innewohnen. Einzelvertragliche Ausschlussfristen, die nur Ansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber erfassen, sind gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn nicht ausnahmsweise ein Ausgleich für den Arbeitnehmer durch andere Vorteile erfolgt. Weiterhin werden sie nur Vertragsinhalt, wenn sie in dem schriftlichen Arbeitsvertrag mit einem besonderen Hinweis und technischer Hervorhebung unter richtiger Überschrift eingeordnet sind.
Rz. 70
Des Weiteren muss beachtet werden, dass eine vertragliche Ausschlussfrist von weniger als drei Monaten für die erstmalige Geltendmachung des Anspruchs unangemessen kurz ist. Eine solche Frist hält einer AGB-Kontrolle nicht stand und ist unwirksam, es erfolgt keine Anpassung der Frist durch Auslegung (keine geltungserhaltende Reduktion bei AGB).
Rz. 71
Eine Klausel, die für den Beginn der Ausschlussfrist nicht die Fälligkeit der Ansprüche berücksichtigt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.
Rz. 72
Ein Arbeitnehmer wahrt mit Erhebung einer Kündigungsschutzklage nicht nur die erste Stufe (schriftliche Geltendmachung) einer einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist, sondern auch die zweite Stufe (Klage) für alle Einzelansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn die einschlägige Klausel von einem nicht rechtskundigen Durchschnittsarbeitnehmer nicht so verstanden werden kann, dass nur die Erhebung einer bezifferten Leistungsklage diesem Erfordernis genügt, sie vielmehr so verstanden werden darf, dass jede prozessuale Auseinandersetzung über den Anspruch seine Obliegenheit erfüllt.
Rz. 73
Praxistipp
Dies kann eine Arbeitserleichterung für den Anwalt darstellen, da die Erhebung einer Kündigungsschutzklage demnach eine ausreichende Geltendmachung auch von Lohnansprüchen darstellt und dadurch Ansprüche auf Annahmeverzugslohn gewahrt werden. Aufgrund der bereits oben in der einleitenden Übersicht zu den Ausschlussfristen dargestellten Gründen ist das Judikat des BAG vom 19.3.2008, das speziell zu einer einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussregelung erging und gerade auch auf die durch die BAG-Rechtsprechung verursachten Auslegungszweifel gestützt wurde, keinesfalls verallgemeinerungsfähig, weshalb im Zweifel den schon oben...