Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 344
Im Grunde scheint nach der Schuldrechtsreform alles ganz einfach zu sein. Alle Ansprüche verjähren in drei Jahren, bis auf einige wenige Ausnahmen, die im Gesetz hinreichend kenntlich gemacht sind.
Rz. 345
Darauf deutet der – für juristische Verhältnisse ausgesprochen kurze – Regelungssatz "Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre" in § 195 BGB hin. Dieses Grundanliegen der Schuldrechtsreform wird auf dem Gebiet des Verjährungsrechts allerdings nicht erreicht.
Rz. 346
Dies liegt zum einen daran, dass der Gesetzgeber unglücklicherweise mit unbestimmten Rechtsbegriffen auf einem Rechtsgebiet operiert, welches gerade Rechtssicherheit zum Ziel hat. Paradebeispiel dazu ist die Statuierung eines regelmäßig kenntnisabhängigen Verjährungsbeginns, dem in § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die grob fahrlässige Unkenntnis gleichgestellt ist.
Rz. 347
Zum anderen haben sich bei den zahlreichen Senaten der Bundesgerichte unterschiedliche Handhabungen des Verjährungsrechts entwickelt, die bisweilen eher den Charakter spezieller Ansichten führender Meinungsfraktionen innerhalb eines bestimmten Senats haben als vom Prinzip der Einheitlichkeit der Rechtsprechung getragen zu sein scheinen.
Rz. 348
Bedauerlicherweise wird die Handhabung des Verjährungsrechts daher zunehmend aleatorisch und arbiträr – ein Befund, der der Rechtssicherheit ebenso abträglich wie der Anwaltshaftung förderlich ist.
1. Grundsätzliches zum Verjährungsrecht und zur Anwaltshaftung
Rz. 349
Schon im Allgemeinen sah sich der Gesetzgeber gehindert, die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB nichts ausnahmslos für verbindlich zu erklären. So gilt sie in Form einer Rückausnahme etwa auch für titulierte Ansprüche, obwohl diese nach § 197 Abs. 1 BGB einer dreißigjährigen Verjährungsfrist unterliegen.
Rz. 350
§ 197 Abs. 2 BGB ordnet eine dreijährige Verjährungsfrist an, falls die Ansprüche nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 BGB künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben. Die Verjährung beginnt bei Ansprüchen nach § 197 Abs. 1 Nr. 3 bis 6 BGB mit Rechtskraft der Entscheidung, Errichtung des vollstreckbaren Titels oder Feststellung im Insolvenzverfahren, nicht jedoch vor der Entstehung des Anspruchs (§ 201 BGB).
Rz. 351
Beispiel
Ansprüche auf Rentenzahlungen oder Zinsen, um nur zwei praxisrelevante Beispiele zu nennen, verjähren dementsprechend nach drei Jahren, auch wenn sie durch ein gerichtliches Urteil zuerkannt sind, und zwar taggenau mit der Rechtskraft des Urteils und nicht erst mit Schluss eines Kalenderjahres.
Rz. 352
Innerhalb von zehn Jahren verjähren die Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung (§ 196 BGB).
Rz. 353
Herausgabeansprüche aus Eigentum, anderen dinglichen Rechten, den §§ 2018, 2130 und 2362 BGB sowie die Ansprüche, die der Geltendmachung der Herausgabeansprüche dienen, verjähren nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aber wieder in 30 Jahren.
Rz. 354
Und gelangt eine Sache, hinsichtlich derer ein dinglicher Anspruch besteht, durch Rechtsnachfolge in den Besitz eines Dritten, so kommt die während des Besitzes des Rechtsvorgängers verstrichene Verjährungszeit dem Rechtsnachfolger zugute – so die systematisch wenig nachvollziehbar in § 198 BGB verortete Regelung.
Rz. 355
Ohne Rücksicht auf die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für das Anlaufen der Regelverjährungsfrist erforderliche Kenntnis verjähren sonstige Ansprüche ebenfalls zehn Jahre nach ihrer Entstehung (§ 199 Abs. 4 BGB), wobei dies – mit Ausnahme von Regressansprüchen wegen der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit nach § 199 Abs. 2 BGB – auch für Schadensersatzansprüche gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB gilt.
Rz. 356
Gefahrenträchtig sind diese Vorgaben einmal wegen des fehlenden Gleichlaufs der in § 199 Abs. 2 BGB auf der einen Seite und des § 823 Abs. 1 BGB auf der anderen Seite genannten Rechtsgüter. Während die Ansprüche wegen der unerkannt gebliebenen gesundheitlichen Spätfolgen eines bei einem Verkehrsunfall erlittenen Schleudertraumas erst nach 30 Jahren verjähren, würde der Anspruch infolge des unbekannt gebliebenen Schadens an einem Bauteil des am nämlichen Unfall beteiligten Fahrzeugs in zehn Jahren verjähren.
Rz. 357
Besondere Bedeutung hat vor allem die Verjährungsvorschrift des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB für Ansprüche auf Ersatz sog. reiner Vermögensschäden, wie sie etwa in Fällen der Beraterhaftung auftreten, wo die Folgen einer falschen Beratung nicht selten erst nach längerer Zeit offenbar werden.
2. Hemmungstatbestände der §§ 203 ff. BGB
Rz. 358
Den Kern des Verjährungsrechts bilden die Vorschriften über die Hemmung, die Ablaufhemmung und den Neubeginn der Verjährung, die in den Vorschriften der §§ 203 bis 213 BGB geregelt werden. Eine Kommentierung jeder einzelnen Bestimmung soll hier nicht erfolgen, vielmehr praxisrelevante Segelhinweise für die anwaltliche Praxis vermittelt werden. Insoweit kann wiederum § 204 BGB mit seinem umfa...