Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 638
In Arzthaftungsprozessen werden sowohl materielle als auch immaterielle Schadenspositionen geltend gemacht. Besonderes Augenmerk sollte der mandatierte Rechtsanwalt auf die Antragstellung legen. Neben dem Antrag auf Schmerzensgeld ist auch unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO ein umfassender Feststellungsantrag für alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden, die nicht vom Schmerzensgeldantrag umfasst sind, zu stellen (vgl. Rdn 700, 743 ff.).
Rz. 639
Bei schwersten Dauerschäden des Patienten ist der Richter ohne dagegensprechende weitere Gründe gehalten, sein Ermessen gem. § 287 ZPO dahin auszuüben, dass er dem Antrag des Geschädigten auf Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente neben einem Kapitalbetrag stattgibt. Wie der BGH im Urt. v. 4.6.1996 feststellte, ist ein schwerer Dauerschaden bspw. gegeben, wenn die Klägerin
Zitat
"in einer Intensität, die ihre Lebensführung auf Dauer entscheidend bestimmt, den unfallbedingten Schäden ausgesetzt ist. Das gilt nicht nur für die körperlichen Defizite (z.B. die Beinverkürzung) und die Sehschärfeneinschränkung sowie die Gesichtsfeldausfälle, sondern auch und vor allem für das unfallbedingte Anfallsleiden, die Wesensveränderung, die Verlangsamung des Denkablaufs, die Affektlabilität und die Antriebsminderung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bedarf die Klägerin wegen dieser Schäden der ganztägigen Unterstützung durch Dritte; sie ist immer wieder Zuständen der Hilflosigkeit ausgesetzt und auf eine behütende Umgebung angewiesen."
Rz. 640
Ist die Verletzung jedoch so schwerwiegend, dass angesichts der gesundheitlichen Beeinträchtigung von einer kürzeren Lebensdauer ausgegangen werden muss, so kann bei der Feststellung der Größenordnung des zugesprochenen Gesamtschmerzensgeldes nicht ohne weitere Begründung von einem Kapitalwert der Rente ausgegangen werden, wie er sich aufgrund einer statistischen Durchschnittslebenserwartung der Gesamtbevölkerung errechnet.
Rz. 641
Die Verjährung beginnt im Arzthaftungsprozess zu laufen, wenn sich für den Patienten das Vorliegen eines Behandlungsfehlers geradezu aufdrängen muss. Allerdings kann von einem Patienten bzw. seinem gesetzlichen Vertreter oder Wissensvertreter nicht erwartet werden, dass er Krankenhausunterlagen auf ärztliche Behandlungsfehler hin überprüft. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn es um Feststellungen geht, die sich ohne Weiteres treffen lassen, wie etwa die Feststellung der Namen der ihn behandelnden Ärzte. Für den Beginn der Verjährungsfrist kommt es nur auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht auf deren zutreffende rechtliche Würdigung an und auf Seiten des Patienten kommt es nur auf die Einordnung des tatsächlichen Verlaufs, nicht auf dessen exakte medizinische oder rechtliche Einordnung an.