Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 312
Das Erbrecht ist eine in vielen Stellen komplizierte Rechtsmaterie, die im Falle der Nichtbeherrschung unangenehme Regressfolgen für den Anwalt begründen kann. Hinzukommt, dass der Erbschaftsaspekt auch in prozessualer Hinsicht bedeutsam werden kann, etwa weil die Sondervorschriften der §§ 342 ff. FamFG zu berücksichtigen sind oder weil der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte die Beschränkung seiner Haftung nach § 780 Abs. 1 ZPO nur geltend machen kann, wenn er im Erkenntnisverfahren einen entsprechenden Vorbehalt erreicht hat.
Rz. 313
Der Anwalt hat deshalb die Pflicht bei der Übernahme solcher Mandate sich umfassend in die Materie einzuarbeiten und auch die prozessrechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen, zumal der Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung auch Grundvoraussetzung für die Dürftigkeitseinrede des § 1990 BGB ist.
1. Berücksichtigung steuerrechtlicher Fragen
Rz. 314
Ein Rechtsanwalt verletzt die ihm obliegende Beratungspflicht, wenn er seinen Mandanten nicht über die Möglichkeit der Erbausschlagung und der damit verbundenen steuerlichen Vorteile belehrt und infolgedessen wegen des hohen Alters des Mandanten innerhalb kurzer Zeit zweimal (vom Mandanten und von seinen Kindern) Erbschaftsteuer entrichtet werden muss. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt ist jedoch nicht begründet, weil dem Mandanten kein Schaden entstanden ist.
Rz. 315
Auch bei der Verfolgung eines Pflichtteilsanspruchs (siehe Rdn 332 ff.) muss der Rechtsanwalt vorsichtig sein, um nicht vorschnell und unkontrolliert Erbschaftssteuer zu Lasten seines Mandanten entstehen zu lassen. Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden, die Höhe des Anspruchs aber nicht beziffern. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich darauf beschränken, vom Erben nur Auskunft nach § 2314 BGB zu verlangen – ggf. in Verbindung mit einer Stufenklage nach § 254 ZPO – und sich die Geltendmachung des Pflichtteils vorzubehalten. In diesem Falle entsteht noch keine Erbschaftssteuer für den Mandanten, denn der Anspruch aus § 2314 BGB löst keine Steuerpflicht aus.
2. Erbauseinandersetzung
Rz. 316
Bei der Beauftragung einer Erbauseinandersetzungsangelegenheit hat der Rechtsanwalt einiges zu beachten.
Rz. 317
So sind Erbteilungsklagen äußerst haftungsträchtig, da prozessrechtliche Voraussetzung die Bestimmtheit des Klageantrags gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist. Das Gericht darf den vom Kläger vorgelegten Teilungsplan nicht von sich aus abändern und muss deshalb bei mangelnder Teilungsreife des Nachlasses die Erbteilungsklage abweisen. Es empfiehlt sich deshalb, neben dem Hauptantrag auf Zustimmung zum vorgelegten Teilungsplan mehrere Hilfsanträge mit den in Betracht kommenden Varianten zu stellen und darüber hinaus das Gericht zu bitten, Hinweise gem. § 139 ZPO zu geben, wenn es in bestimmten Details abweichen will. Gibt es nur Einzelstreitpunkte zwischen den Erben, kann sich eine darauf gerichtete Feststellungsklage anbieten.
Rz. 318
Der Rechtsanwalt verletzt die sich aus einem Anwaltsvertrag ergebenden Pflichten, wenn er zum Zwecke der Erbauseinandersetzung eine Klage gegen Miterben auf Zustimmung zu einem von ihm gefertigten Erbteilungsplan erhebt, obwohl zum Zeitpunkt der Klageerhebung der Nachlass noch nicht umfassend ermittelt und bewertet war.
Rz. 319
Weigert sich ein Miterbe einer ungeteilten Erbengemeinschaft, dem gesetzlichen Verlangen des anderen Miterben auf Auseinandersetzung der Miterbengemeinschaft nach Maßgabe des § 2042 Abs. 1 BGB zu entsprechen, so kann letzterer sogleich auf Zustimmung zum Abschluss eines von ihm vorzulegenden schuldrechtlichen Auseinandersetzungsvertrags klagen, um auf eine Gesamtauseinandersetzung des Nachlasses hinzuwirken. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Nachlass Teilungsreife zukommt.
Rz. 320
Die notwendige Zustimmung zur Erbauseinandersetzung wird durch ein klagestattgebendes Urteil ersetzt. Dazu muss jedoch ein bestimmter Antrag gestellt und ein detaillierter Teilungsplan vorgelegt werden, der das Ergebnis der anstehenden Auseinandersetzung zutreffend wiedergibt, da nur dann die Zustimmung dazu verlangt werden kann.
3. Fristen
Rz. 321
Viele Haftungsfälle beruhen auf der Nichteinhaltung von Fristen. Nachfolgend werden die wichtigs...