Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 786
Die Pflichten eines Rechtsanwalts, der einen Mandanten steuerlich berät, beurteilen sich nach denselben Grundsätzen wie bei der Beratung in anderen Rechtsangelegenheiten. Empfiehlt der Rechtsanwalt aus steuerlichen Gründen einen bestimmten Vermögenserwerb, so hat er den Mandanten in der durch die Sachlage gebotenen Weise auch umfassend über die mit dem Geschäft zusammenhängenden zivilrechtlichen Fragen zu belehren und vor Risiken zu bewahren, die sich erkennbar aus diesem Rechtsbereich ergeben. Es stellt sich auch die Frage, ob ein mit einem allgemeinen Mandat betrauter Rechtsanwalt zugleich die steuerrechtlichen Auswirkungen vorgeschlagener Maßnahmen bedenken und gemeinsam mit dem Mandanten erörtern muss. Der Rechtsanwalt hat als Jurist zumindest die Pflicht die steuerlich relevanten Fragen zu erkennen. Denn steuerrechtliche Gesichtspunkte spielen in vielen Bereichen eine Rolle und in wichtigen Bereichen wie im Gesellschafts-, Konzern- oder Erbrecht u.a. determinieren sie die Vertragsgestaltung. Spezialkenntnisse wird man vom Rechtsanwalt allerdings nicht erwarten können, denn für diese sind Wirtschaftsprüfer oder Fachanwälte für Steuerrecht zuständig.
Rz. 787
Im Rahmen einer steuerlichen Beratung hat ein Rechtsanwalt seinen Mandanten auf die rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken einer verdeckten Sacheinlage anlässlich einer Kapitalerhöhung für eine GmbH hinzuweisen und den sichersten Weg zur Erlangung eines auslaufenden Steuervorteils vorzuschlagen.
Rz. 788
Auch darf der steuerlich beratende Rechtsanwalt keinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einlegen, wenn er mit dem Einspruch neue Tatsachen vorträgt, die zu einer höheren Besteuerung des Mandanten führen. Dann nämlich kann der Mandant mit Recht beanstanden, dass dem für ihn zuständigen Finanzamt durch den Einspruch die Möglichkeit eröffnet worden sei, den Ausgangsbescheid zu seinen Ungunsten zu ändern. Die Beraterhaftung entfällt auch nicht, wenn das Finanzamt an einer verbösernden Entscheidung gehindert ist, weil die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht erfüllt sind.
Rz. 789
Wenn der Rechtsanwalt mit einer Erbschaftsangelegenheit betraut ist, so hat er seinem Mandanten die Möglichkeit der Erbausschlagung und die damit verbundenen steuerlichen Vorteile zu erläutern zum Zwecke der Vermeidung einer zweimaligen Erbschaftssteuer.
Rz. 790
Ist der Rechtsanwalt mit der Beratung einer vorweggenommenen Erbfolge betraut, so hat er neben den erbschaftssteuerlichen Auswirkungen auch die ertragssteuerlichen Konsequenzen zu bedenken (z.B. die Aufdeckung stiller Reserven durch Privatentnahmen oder die ungewollte Beendigung einer Betriebsaufspaltung oder einer körperschafts- oder umsatzsteuerrechtlichen Organschaft.
Rz. 791
Falls der Rechtsanwalt beabsichtigt die steuerliche Beratung aus dem Auftrag auszuklammern, so sollte er dies dem Mandanten vor Vertragsschluss aufzeigen oder mit dem Auftraggeber während des laufenden Mandats eine entsprechende den Vertragsinhalt ergänzende Abrede treffen.
Rz. 792
Bei schwierigeren steuerlichen Angelegenheiten bedarf es einer konkreten durch den Mandanten erteilten Beauftragung. Denn dann hat der Rechtsanwalt die Möglichkeit der Abwägung, ob er das Mandat übernimmt, weil er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt oder ob er den Mandanten an einen spezialisierten Kollegen oder Steuerberater verweist.