Dr. iur. Alexander Weinbeer
I. Allgemein
Rz. 651
Im Tagesgeschäft des Mietrechtsanwalts kommt es immer wieder vor, dass haftungsträchtige Weichenstellungen übersehen werden, die im Einzelfall nicht unerhebliche Schadensersatzansprüche auslösen können.
II. Erstellen einer Betriebskostenabrechnung
Rz. 652
Der Vermieter(-anwalt) muss eine gesetzliche Ausschlussfrist von einem Jahr ab Ende des Abrechnungszeitraums beachten (daher gelten die §§ 204 Abs. 1 Nr. 1, 212 Abs. 1 Nr. 1 und § 214 Abs. 2 S. 1 BGB nicht). Danach ist er mit Nachforderungen aus Betriebskostenabrechnungen ausgeschlossen, außer er hat die Verspätung nicht zu vertreten. Selbst in diesem Fall muss er aber im Regelfall innerhalb von drei Monaten abrechnen, sobald der unverschuldete Hinderungsgrund entfallen ist.
Rz. 653
Mit Zugang einer prüffähigen Betriebskostenabrechnung beginnt gewissermaßen umgekehrt auch für den Mieter eine einjährige Ausschlussfrist für sämtliche Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung, sofern er die Verspätung nicht zu vertreten hat, § 556 Abs. 3 S. 5 BGB. Die Fälligkeit des Abrechnungssaldos tritt allerdings schon früher ein, maximal einen Monat nach Erhalt einer formell ordnungsgemäßen und prüffähigen Abrechnung. In der vorbehaltlosen Zahlung des Abrechnungssaldos durch den Mieter oder der Auskehrung eines Guthabens durch den Vermieter liegt jedenfalls seit dem 19.6.2001 kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis mehr, sodass vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 S. 2 und 3 BGB jederzeit Korrekturen auch zu Lasten des Mieters möglich sind.
III. Kündigung eines Mietvertrags
Rz. 654
Der mandatierte Rechtsanwalt muss die entsprechenden Fachausdrücke verwenden, er weiß, dass ein Mietvertrag als Dauerschuldverhältnis gekündigt wird und dass vom Mietvertrag eben kein Rücktritt erfolgt. Soll der Rechtsanwalt einen von seinem Mandanten geschlossenen Vertrag beenden, so verletzt er die anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er durch Verwendung eines unzutreffenden Fachausdrucks (konkret: "Rücktritt" statt "Kündigung") das Risiko eines Missverständnisses hervorruft. Auch muss er klarstellen, ob er außerordentlich, also fristlos oder ordentlich, also fristgerecht kündigen möchte. Zusätzlich hat der Rechtsanwalt bei der außerordentlichen Kündigung hilfsweise sofern möglich eine ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin auszusprechen.
Rz. 655
Bei der Kündigung des Mietvertrages besteht die Aufgabe des Rechtsanwalts zunächst darin, zu prüfen, wer Mieter und wer Vermieter ist. In dem Falle, dass mehrere Personen den Mietvertrag als Mieter oder Vermieter abgeschlossen haben, muss der Rechtsanwalt für alle Mieter und gegenüber allen Vermietern kündigen, wenn die Kündigung wirksam sein soll. Geht die Kündigung nur einem von mehreren Mietern zu, ist sie insgesamt unwirksam. Bei einer Mietermehrheit ist die Kündigung nachweislich auch etwa bereits vor Jahren ausgezogenen Mietern gegenüber vorsorglich zu erklären, sofern diese nicht rechtswirksam durch eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem Vermieter einerseits und dem verbliebenen sowie dem ausgezogenen Mieter andererseits entlassen worden sind.
Rz. 656
Es passiert häufig, dass ein mangelgeplagter Mieter einen Anwalt beauftragt und dessen erste Amtshandlung die Kündigung des Mietverhältnisses ist. Legt der Anwalt dem Kündigungsschreiben keine Original-Vollmachtsurkunde bei, ist die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter den Mangel der Vollmachtvorlage unverzüglich rügt. Es ist dringend zu empfehlen, unmittelbar nach der Rüge der unterlassenen Vorlage einer Vollmacht die Kündigung unter Vorlage einer Original-Vollmacht erneut auszusprechen. Wird dies durch den Rechtsanwalt unterlassen, so begeht er eine Pflichtverletzung aus dem Anwaltsvertrag.
Rz. 657
Ein von einem Vertreter einer Erbengemeinschaft abgeschlossener Vertrag kann mangels Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft nicht mit dieser als solcher, sondern nur mit den einzelnen Miterben zustande kommen.
Rz. 658
Die Anfechtung eines Mietvertrags über Geschäftsräume wegen arglistiger Täuschung ist auch nach Überlassung der Mieträume und Beendigung des Mietvertrags neben der Kündigung zulässig. Sie wirkt gem. § 142 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zurück.
Rz. 659
Übersteigt die Dauer des in einem Staffelmietvertrag formularmäßig vereinbarten Kündigungsverzichts den in § 557a Abs. 3 BGB genannten Zeitraum von vier Jahren, so ist die Klausel wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters insgesamt unwirksam nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB. Die zu der Vorgängerbestimmung § 10 Abs. 2 S. 6 MHG entwickelte Rechtsprechung, nach der ein solcher Kündigungsverzicht nur insoweit unwirksam ist, als er den Zeitraum von vier Jahren übersteigt, lässt sich auf § 557a BGB nicht übertragen.