Dr. iur. Alexander Weinbeer
Rz. 794
Etwas weniger haftungsträchtig ist die Arbeit von Strafrechtsanwälten, auch wenn selbst diese nicht vor einer Inanspruchnahme gefeit sind. So ist aus der Praxis der Fall eines prominenten Hamburger Anwalts bekannt, der nach einem "Deal", laut dem durch Zahlung einer hohen Kaution dem Mandanten freies Geleit zugesagt worden war, die – wie sich im Nachhinein herausstellte: zu Unrecht von den Justizbehörden einbehaltene – Kautionssumme dem Mandanten im Regresswege erstatten sollte.
I. Allgemein
Rz. 795
Als Verteidiger im Strafverfahren hat der Rechtsanwalt die Stellung eines selbstständigen Beistandes des Beschuldigten oder Angeklagten und eines unabhängigen Organs der Rechtspflege, seine Aufgabe besteht darin, alles geltend zu machen, was dem Beschuldigten oder Angeklagten nach dem Sach- oder Verfahrensrecht günstig ist.
Rz. 796
Hinsichtlich der Einhaltung von Fristen und der Vornahme anderer gebotener Prozesshandlungen bergen strafrechtliche Mandate jedoch kein besonderes Haftungsrisiko, da dem Angeklagten das Verschulden seines Rechtsanwalts nicht zugerechnet werden darf, der Angeklagte ist auch nicht zur Überwachung seines Verteidigers verpflichtet.
Rz. 797
Dies ist die Folge der Stellung des Verteidigers als eines Beistandes nach § 137 StPO im Gegensatz zu einem Prozessbevollmächtigten nach § 85 ZPO. Ein relevantes eigenes Verschulden des Betroffenen liegt aber vor, wenn der Betroffene untätig bleibt, obwohl ihm die Unzuverlässigkeit des Anwalts bekannt ist. Ein Verschulden des Verteidigers oder dessen Kanzleimitarbeiter ist dem Betroffenen im Bußgeldverfahren regelmäßig nicht zuzurechnen.
Rz. 798
Das Verbot der Zurechnung von Anwaltsverschulden gilt aber nicht bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem StrEG, als Vertreter des Privat- oder Nebenklägers und im Klageerzwingungsverfahren.
Rz. 799
Trotz der eingeschränkten Haftungsrisiken soll im Folgenden ein Überblick über Gesichtspunkte geliefert werden, deren Beachtung von Anwälten geschuldet ist und deren Missachtung für Anwälte gefährlich werden kann:
II. Fristen
Rz. 800
Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. War zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung gem. § 345 StPO.
III. Pflichten des Verteidigers
Rz. 801
Der Rechtsanwalt, der selbst oder über einen Dritten für seinen in Untersuchungshaft sitzenden Mandaten Gelder einwirbt, um eine Kaution stellen zu können, darf die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht anderweitig verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der Rückführung dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur längerfristigen Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht.
Rz. 802
Indes bejaht der BGH die Pflicht von Strafverteidigern, Mandanten im Kontext mit der Gestellung von Kaution über das Risiko des Pfändungszugriffs und über die Möglichkeiten von Sicherungsmaßnahmen zu beraten und zu belehren. Dabei besteht diese Pflicht aber nicht gegenüber Dritten, die die Kautionssumme darlehens- oder schenkungsweise zur Verfügung stellen; insbesondere kommt es nicht zu einem (konkludenten) Mandatsverhältnis mit dem Finanzier und auch ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter liegt in diesen Konstellationen nicht vor.
Rz. 803
Es ist anerkannt, dass den Rechtsanwalt eine persönlich wahrzunehmende Aufklärungspflicht trifft, d.h. er hat sich (primär) durch Nachfragen beim Mandanten die verfahrensrelevanten Tatsachen zu erschließen. Seiner Pflicht zur vollständigen Beratung des Mandanten kann der Verteidiger nur nachkommen, wenn er zunächst durch Befragung seines Auftraggebers die Punkte klärt, auf die es für die rechtliche Beurteilung ankommen kann. Dazu gehört es auch, tatsächliche Zweifel, die sich aus den Angaben des Mandanten ergeben, zu erörtern und aufzuklären. Die Aufklärung der verfahrensrelevanten Tatsachen setzt zunächst eine eingehende Information des Mandanten über den gegen ihn erhobenen Vorwurf voraus. Bei einem bestreitenden Mandanten erstreckt sich die Aufklärungspflicht insbesondere auch auf die erschöpfende Sammlung der gegen seine Beteiligung spre...