Dr. iur. Alexander Weinbeer
I. Allgemein
Rz. 883
Streitigkeiten im Werkvertragsrecht und insbesondere im Baurecht gehören zu den kostspieligsten, schwerfälligsten und typischerweise besonders lang andauernden Prozessen. Grund hierfür sind viele unklare, durch Ablauf- und Leistungsänderungen sowie durch Preisdifferenzen gestörte Vertragsgrundlagen, die oftmals komplexe technische Fragen im Zusammenhang mit der Behauptung von Mängeln und das Zusammenspiel mehrerer Leistungserbringer beinhalten. Des Weiteren ist die Beweiserhebung sehr aufwändig, oft bedarf es der Hinzuziehung von Sachverständigen. Auch können oftmals keine klaren Ergebnisse erlangt werden.
Rz. 884
Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten über die Risiken, die das Führen eines Bauprozesses birgt aufzuklären, bevor das Verfahren anhängig gemacht wird. Darüber hinaus hat der Rechtsanwalt seinem Mandanten alternative Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, wie bspw. Mediation, eine auf Bausachen spezialisierte Schlichtungsstelle oder die Beauftragung eines Schiedsgutachters. Im Einzelfall kann sich aus Kostengründen auch die Heranziehung eines Privatgutachters anbieten, sofern der Versuch einer Einigung auf Grundlage des Privatgutachters aussichtsreich erscheint und weder ein Verjährungseintritt noch eine Verschlechterung der Beweissituation droht.
II. Beweisbedürftigkeit von Mängeln
Rz. 885
Der Unternehmer schuldet beim Werkvertrag gem. § 631 Abs. 2 BGB einen bestimmten Erfolg. Er hat deswegen nach Maßgabe der §§ 633 ff. BGB für die Mangelfreiheit eines Werks einzustehen, ohne dass es – mit Ausnahme der in § 635 BGB a.F. geregelten Verpflichtung zur Leistung von Schadensersatz – darauf ankommt, ob er die Schlechtleistung zu vertreten hat.
Rz. 886
Lässt sich im Vorfeld nicht klären, wer von mehreren Beteiligten für den Mangel verantwortlich ist, dürfen die potenziellen Verursacher nur dann gemeinsam verklagt werden, wenn eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommt. Der Architekt, den der Bauherr gem. § 635 BGB a.F. wegen Aufsichtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch nimmt, kann gegen den Bauunternehmer einen Ausgleichsanspruch gem. § 426 BGB geltend machen. Wären die potenziellen Verursacher nicht zur gesamtschuldnerischen Haftung verpflichtet, so würde eine Kostenbelastung infolge Teilabweisung der Klage eintreten. Stattdessen kann es sich anbieten, die Klage gegen einen Beteiligten mit einer Streitverkündung gegenüber dem anderen zu verbinden.
Rz. 887
Wird ein Rechtsanwalt beauftragt Schadensersatzansprüche geltend zu machen, kann er verpflichtet sein, zur Vorbereitung des Prozesses, in welchem ein substantiierter Vortrag zu Ursachen, Art und Umfang des Schadens erwartet wird, entsprechende Feststellungen zu veranlassen und Beweise zu sichern. Dies gilt insbesondere dann, wenn zu befürchten ist, dass solche Feststellungen später nicht mehr nachgeholt werden, Beweismittel verloren gehen oder in Zukunft nur noch schwer zugänglich sein können. Unter solchen Umständen ist regelmäßig die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO angebracht.
III. Geltung der VOB/B
Rz. 888
Ist die VOB/B (=Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen) in ihrer jeweils zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Fassung ohne inhaltliche Abweichung in den Vertrag einbezogen findet eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 BGB nicht statt, wenn die VOB/B als AGB gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen nach § 310 Abs. 1 S. 3 BGB verwendet werden.
Rz. 889
Wenn im Rahmen der gerichtlichen Inhaltskontrolle über den Inhalt des VOB/B-Vertrages die Vertragsprüfung der Klauseln eröffnet ist, führt dies zur Unwirksamkeit der Schlusszahlungseinrede des § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. Erklärt der Auftragnehmer gegenüber der unwirksamen Schlusszahlungserklärung vorsorglich einen Vorbehalt, ist ihm wegen widersprüchlichen Verhaltens die Berufung auf die Unwirksamkeit der Schlusszahlungseinrede aus Treu und Glauben versagt. Im Übrigen beginnt die Frist nicht erst mit einer förmlichen Abnahme, sondern mit der Fertigstellung des Werks bzw. dem Beginn der Nutzung/Ingebrauchnahme des Werkes.
Rz. 890
Der Rechtsanwalt muss beachten, dass bei einem Bauvertrag, für den die Geltung der VOB/B vereinbart wurde gegenüber dem Werkvertragsrecht des BGB eine Reihe von Sonderregeln gelten.
Rz. 891
Hat der Auftraggeber bspw. eine Schlusszahlung geleistet und weitere Zahlungen abgelehnt, dann ist der Vorbehalt weiterer Forderungen binnen einer Frist von 28 Tagen anzumelden, § 16 Abs. 3 Nr. 5 S. 1 VOB/B. Der Vorbe...