Rz. 185

Bei Kindern ab sieben Jahren (§ 828 Abs. 1 BGB) bzw. bei Kindern ab zehn Jahren im motorisierten Verkehr (§ 828 Abs. 2 BGB) und bei Jugendlichen ist zu unterscheiden zwischen ihrer Einsichtsfähigkeit und dem Verschulden.

Um eine Haftung nach § 828 Abs. 1 BGB oder bei Unfällen im motorisierten Verkehr nach § 828 Abs. 2 BGB zu begründen, muss dem Kind oder Jugendlichen stets ein Verschulden angelastet werden. Darüber hinaus muss das Kind bei der Begehung der schädigenden Handlung gem. § 828 Abs. 3 BGB die zur Erkennung der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht haben.

 

Rz. 186

Das bedeutet, dass das Kind bzw. der Jugendliche in der Lage sein muss, das Unrecht seiner Handlung und die Verpflichtung zu erkennen, für die Folgen seines Handelns einzustehen. Das Kind bzw. der Jugendliche muss also die intellektuelle Fähigkeit haben zu erkennen, dass sein Verhalten Gefahren auslösen und er dafür verantwortlich sein kann. Ausreichend ist das allgemeine Verständnis dafür, dass sein Verhalten geeignet ist, Gefahren herbeizuführen (BGH VersR 1970, 374).

 

Rz. 187

Dabei kann es ausreichen, dass das Kind bzw. der Jugendliche zwar die Gefährlichkeit seines Tuns altersbedingt noch nicht erkannte, wohl aber wegen vorausgegangener Verbote und Warnungen in der Lage war zu erkennen, dass er für eine Zuwiderhandlung gegen das vorher ausgesprochene Verbot verantwortlich ist (Palandt-Sprau, § 828 BGB Rn 6). Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls.

 

Rz. 188

Die Beweislast für den Mangel der Einsichtsfähigkeit obliegt dem Kind bzw. Jugendlichen (BGH NJW 1984, 1958; VersR 1970, 374).

 

Rz. 189

Im Gegensatz zur Einsichtsfähigkeit nach § 828 BGB, bei der allein die individuelle und intellektuelle Fähigkeit des Jugendlichen ausschlaggebend ist, muss im Rahmen der Schuld, die sich an § 276 BGB orientiert, geprüft werden, ob ein normal entwickelter Jugendlicher dieses Alters die Gefährlichkeit seines Tuns hätte voraussehen und dieser Einsicht gemäß hätte handeln können und müssen (BGH NJW 1970, 1038).

 

Rz. 190

Die Beweislast für das Verschulden des Kindes bzw. Jugendlichen obliegt – im Gegensatz zur Beweislast für die Einsichtsfähigkeit – dem Geschädigten.

 

Rz. 191

 

Beispiel

Ein erst zwei Monate vor dem Unfallgeschehen sieben Jahre alt gewordenes Kind, das einem auf die Fahrbahn rollenden Ball nachläuft, ohne auf den Kraftfahrzeugverkehr zu achten, handelt bereits nach altem Recht nicht schuldhaft (BGH VersR 1970, 375).

Seit dem 1.8.2002 kann das Kind nach § 828 Abs. 2 BGB bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres überhaupt nicht schuldhaft handeln.

 

Beachte

Die Heraufsetzung der Verantwortlichkeit von Kindern bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres im motorisierten Verkehr führt zwangsläufig dazu, dass auch ab Vollendung des zehnten Lebensjahres die Mitverantwortung im Sinne des § 254 BGB erst langsam ansteigt (vgl. zur erforderlichen Abwägung aktuell OLG Celle v. 8.6.2011 – 14 W 13/11 – m. Anm. Lang, jurisPR-VerkR 20/2011 Anm. 1).

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