Rz. 281

In den Fällen, in denen ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht wurde und die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, für die Haftpflicht, die für einen anderen von ihnen eintritt (§ 17 Abs. 1 StVG).

 

Rz. 282

Durch die Neufassung des § 17 StVG durch das Zweite Schadensrechtsänderungsgesetz wird der interne Schadensausgleich wie folgt geregelt:

§ 17 Abs. 1 StVG entspricht dem bisherigen § 17 Abs. 1 S. 1 StVG a.F., der den Ausgleich zwischen mehreren beteiligten Kfz-Haltern bei Verursachung eines Drittschadens regelt;
§ 17 Abs. 2 StVG enthält die bisher in § 17 Abs. 1 S. 2 StVG a.F. geregelte Ausgleichspflicht zwischen mehreren unfallbeteiligten Kfz-Haltern für die selbst erlittenen Schäden;
§ 17 Abs. 3 StVG sieht vor, dass die Ausgleichspflichten nach Abs. 1 und 2 dann ausgeschlossen sind, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde.
 

Rz. 283

Der bis zur Änderung 2002 in § 7 Abs. 2 StVG a.F. vorgesehene Haftungsausschlussgrund des "unabwendbaren Ereignisses" soll nicht völlig entfallen, sondern weiterhin für den Schadensausgleich zwischen den Haltern mehrerer unfallbeteiligter Kraftfahrzeuge oder Anhänger, von Tieren oder der Eisenbahn gelten. Damit wird ausdrücklich klargestellt, dass dem unfallbeteiligten Kraftfahrer keine Entlastungsmöglichkeit gegenüber Kindern, aber auch nicht gegenüber anderen nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern offensteht. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass in entsprechender Anwendung der § 9 StVG, § 254 BGB auch der geschädigte nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer – mit Ausnahme von nicht deliktsfähigen Kindern – über sein Mitverschulden entsprechend haften bzw. sogar voll haften kann.

 

Rz. 284

In beiden Fällen legt § 17 StVG fest, dass die Schadensverursacher sich nach ihren jeweiligen konkreten Verursachungsanteilen am Schaden beteiligen müssen. Für den Ausgleich ist dabei unerheblich, ob mehrere gesetzliche Haftungsgründe zusammentreffen (BGH NJW 1962, 1394).

 

Rz. 285

Bei der Abwägung entscheidet das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen so, wie sie sich im konkreten Unfall ausgewirkt haben. Bei der Frage, wer in welchem Maß den Schaden mitverursacht hat, kommen daher auch Verschuldensgesichtspunkte zum Tragen. Schwere Schuld des einen Beteiligten kann die Betriebsgefahr oder sogar eine geringe Schuld des anderen Beteiligten ganz zurücktreten lassen (BGH VersR 1962, 156; 1964, 168; 1964, 1113).

 

Beispiel

Das Linksabbiegen vor einem schnell herannahenden Kraftfahrzeug begründet ein derart grobes Verschulden des Linksabbiegers, dass demgegenüber auch ein etwaiges Verschulden des Entgegenkommenden aufgrund leichter Geschwindigkeitsüberschreitung zurücktritt (BGH VersR 1964, 514; 1969, 75).

 

Rz. 286

Korrekterweise wird bei der Haftungsabwägung regelmäßig auch eine erhöhte Betriebsgefahr hinter einem groben Verschulden des Unfallgegners zurückzutreten haben (BGH VersR 1964, 1024).

 

Rz. 287

Bei der Abwägung sind jedoch nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Das bedeutet, nur unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen können bei der Haftungsabwägung nach § 17 StVG dem jeweiligen Unfallbeteiligten entgegengehalten werden. Dagegen haben Vermutungen außer Acht zu bleiben (BGH zfs 1995, 126).

 

Beispiel

Unterläuft einem betrunkenen Fahrer ein Fahrfehler, der jedem nüchternen Fahrer gleichermaßen unterlaufen kann, ist ihm im Rahmen der Haftungsabwägung lediglich die Betriebsgefahr entgegenzuhalten.

 

Rz. 288

Die Betriebsgefahr eines Kfz besteht in der Gesamtheit der Umstände, welche – durch die Eigenart als Kfz bedingt – Verkehrsgefahren begründen. Maßgebend sind also insbesondere Fahrzeuggröße, Gewicht, Fahrzeugart, Fahrzeugbeschaffenheit, Beleuchtung, Fahrgeschwindigkeit sowie die Frage, ob es verkehrsgerecht oder in welchem Maß es verkehrswidrig verwendet wurde (BGH DAR 1956, 328).

 

Rz. 289

Von einer erhöhten Betriebsgefahr kann in den Fällen ausgegangen werden, in denen die regelmäßig und notwendigerweise mit dem Kfz-Betrieb verbundene Betriebsgefahr durch das Hinzutreten besonderer unfallursächlicher Umstände vergrößert wird.

 

Beispiele

Schwierige Örtlichkeiten, hohe Fahrzeugdichte, Mängel am Kraftfahrzeug, hohe Geschwindigkeiten, insbesondere bei nasser Fahrbahn oder Ähnliches.

 

Rz. 290

Ist keinem der Unfallbeteiligten ein unfallursächliches Verschulden nachzuweisen, sind allein die Betriebsgefahren gegeneinander abzuwägen.

 

Beispiele

Pkw – Pkw: Quote 50 zu 50
Lkw – Pkw: Quote 60 zu 40
Panzer – Pkw: Quote 80 zu 20
Panzer – Mofa: Quote 90 zu 10.
 

Rz. 291

Eine Abwägung nach Gefährdungshaftung kann nur in den im Gesetz normierten Fällen vo...

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