Prof. Dr. Alexander Krafka, Prof. Dr. Sabine Otte
Rz. 291
Vor dem 1.1.2020 waren – neben Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden und Verpflichteten i.S.d. § 2 GwG – nur Personen zur Einsicht in das Transparenzregister berechtigt, die der registerführenden Stelle darlegten, dass sie ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme hatten. Gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG kann seit 1.1.2020 in Umsetzung von Art. 1 Nr. 15 lit. c) der Fünften EU-Geldwäscherichtlinie jedermann – unabhängig von einem berechtigten Interesse – Einsicht in das Transparenzregister nehmen. Durch den Zugang aller Mitglieder der Öffentlichkeit zu den Angaben über die wirtschaftlich Berechtigten sollte eine größere Kontrolle der Informationen durch die Zivilgesellschaft (einschließlich Presse und zivilgesellschaftlichen Organisationen) ermöglicht und das Vertrauen in die Integrität der Geschäftstätigkeit und des Finanzsystems gestärkt werden. Die Öffnung des Transparenzregisters für die Öffentlichkeit wurde bereits in der Literatur im Hinblick auf die in Art. 7 f. GRCh verbürgten EU-Grundrechte kritisiert. Jüngst hat sich der EuGH dieser Kritik angeschlossen und bestätigt, dass ein Recht auf Registerauskunft für jedermann die Art. 7 f. GRCh verletzt: Ein solcher Eingriff ist nicht auf das Erforderliche beschränkt und steht außer Verhältnis zur Zielsetzung, ist also nicht gerechtfertigt.
Rz. 292
Somit ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GwG richtlinienkonform wieder dahingehend auszulegen, dass nur noch solche Personen und Organisationen in das Transparenzregister Einsicht nehmen können, die ein berechtigtes Interesse nachweisen. Ein solches berechtigtes Interesse liegt insbesondere vor, wenn die eigenen Angaben der Eintragung überprüft werden sollen (sog. Selbstauskunft), bei Journalisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) bei Recherchen mit Bezug zu Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung oder wenn ein sonstiger enger Bezug zu Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nachvollziehbar vorgebracht wird. Für einen erfolgreichen Antrag auf Einsichtnahme durch Mitglieder der Öffentlichkeit ist eine entsprechende Begründung durch ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme erforderlich.
Rz. 293
Das Einsichtnahmerecht kann auf Antrag des wirtschaftlich Berechtigten gem. § 23 Abs. 2 Satz 1 GwG beschränkt werden, wenn der wirtschaftlich Berechtigte darlegt, dass der Einsichtnahme unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls überwiegende schutzwürdige Interessen des wirtschaftlich Berechtigten entgegenstehen. Auf solche schutzwürdigen Interessen kann sich der wirtschaftlich Berechtigte allerdings gem. § 23 Abs. 2 Satz 3 GwG nicht berufen, wenn sich die Daten bereits aus den in § 22 Abs. 1 GwG genannten Registern ergeben. Schutzwürdige Interessen des wirtschaftlich Berechtigten liegen nach dem abschließenden Katalog des § 23 Abs. 2 Satz 2 GwG vor, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Einsichtnahme den wirtschaftlich Berechtigten der Gefahr aussetzen würde, Opfer der in § 23 Abs. 2 Nr. 1 GwG genannten Straftaten (wie z.B. Betrug, Geiselnahme, Erpressung) zu werden, oder der wirtschaftlich Berechtigte minderjährig oder geschäftsunfähig ist.
Rz. 294
Für die Darlegung der Gefahr, Opfer einer der in dem Katalog aufgeführten Straftaten zu werden, muss bei abstrakt-genereller Betrachtung nach allgemeiner Lebenserfahrung eine Situation bestehen, aus der für den wirtschaftlich Berechtigten die konkrete Gefahr einer Strafbegehung nach § 23 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 lit. a) bis g) GwG erwachsen könnte. Zu dem Bestehen einer solchen Gefahr können im Rahmen einer Gesamtschau nach Auffassung des Bundesverwaltungsamts folgende Tatsachen beitragen:
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Umfang des Vermögens des wirtschaftlich Berechtigten, |
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Tatsache, dass der wirtschaftlich Berechtigte bereits in der Vergangenheit Opfer derartiger Straftaten geworden ist bzw. es Anhaltspunkte für solche Planungen gab, |
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Wohnsitzland des wirtschaftlich Berechtigten, wenn dort aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage ein herausgehobenes Risiko für einen vermögenden wirtschaftlich Berechtigten besteht, Opfer einer der genannten Straftaten zu werden. |
Allein ein hohes Vermögen des wirtschaftlich Berechtigten begründet jedoch nach Ansicht des Bundesverwaltungsamts kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Beschränkung der Einsichtnahme.
Das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses des wirtschaftlich Berechtigten allein reicht nicht aus, sondern es ist eine zweistufige Prüfung sowohl der schutzwürdigen Belange als auch einer Verhältnismäßigkeitskontrolle unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
Rz. 295
Soweit ersichtlich, ist bislang in der Praxis nur ein Bruchteil der Anträge auf Beschränkung der Einsichtnahme gem. § 23 Abs. 2 GwG positiv beschieden worden. Zu Recht – insbesondere angesichts der grundrechtlich geschützten Rechte des wirtschaftlich Berechtigten auf Datenschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) – wird in der Literatur gefordert, niedrigere Anforderungen an...