Prof. Dr. Alexander Krafka, Prof. Dr. Sabine Otte
Rz. 64
Die Bedeutung der Handelsregisterpublizität beruht u.a. auf den zivilrechtlichen Folgewirkungen, die § 15 HGB vorsieht und die nachfolgend im Wege eines kursorischen Überblicks darzulegen sind.
1. Negative Publizität gem. § 15 Abs. 1 HGB
Rz. 65
Die bereits erwähnte negative Publizität des Handelsregisters bewirkt, dass eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache, solange sie nicht im Register eingetragen ist, von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem gutgläubigen Dritten nicht entgegengesetzt werden kann, § 15 Abs. 1 HGB. Geschützt wird damit das Vertrauen des gutgläubigen Rechtsverkehrs auf das Schweigen des Handelsregisters, und das bedeutet entweder Schutz des Vertrauens in Bezug auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage oder in Bezug auf das Bestehen der gesetzlichen Regelungslage. Der Sache nach wird damit zugunsten eines Dritten eine tatsächlich nicht bestehende Rechtslage als gegeben behandelt. Für die juristische Beurteilung des Falles wird damit der registerliche Schein als Rechtswirklichkeit unterstellt.
Hinweis
Maßgebliche Voraussetzung zur Anwendung der negativen Publizität nach § 15 Abs. 1 HGB ist das Vorliegen einer im Register eintragungspflichtigen Tatsache. Dies können der Systematik des Registerrechts zufolge sowohl Tatsachen sein, deren Eintragung deklaratorisch wirkt, als auch solche, deren Eintragung – wie etwa nach § 2 HGB für die Kaufmannseigenschaft – konstitutive Wirkung entfaltet. Lediglich eintragungsfähige Tatsachen, deren Eintragung freiwillig ist, wie etwa der Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB, sind i.R.d. § 15 HGB irrelevant.
Rz. 66
Die Rechtsfolge einer fehlenden Eintragung betrifft denjenigen, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen gewesen wäre, also den der durch sie entlastet, von einer Haftung befreit oder von der Bindung an eine Vertretungsmacht erlöst wird. I.Ü. soll nach herrschender Meinung § 15 Abs. 1 HGB grds. auch dann Anwendung finden, wenn die ursprüngliche Voreintragung, an welche der Dritte bei Unterstellung der Rechtslage anknüpft, ebenfalls unterblieben ist. Wurde also weder die Erteilung noch der Widerruf einer Prokura im Register eingetragen, kann sich ein in Bezug auf den fehlenden Widerruf der Prokura gutgläubiger Dritter auf deren Fortbestand mittels § 15 Abs. 1 HGB trotz fehlender Voreintragung der Prokura berufen. Anwendung findet § 15 Abs. 1 HGB auf sog. Primärtatsachen, also Umstände, die eine Rechtslage oder Rechtsstellung erst begründen, ebenso wie auf sog. Sekundärtatsachen, die solche Umstände ändern.
Hinweis
Zu beachten ist i.R.d. negativen Registerpublizität, dass es sich um einen Fall des im Geschäftsverkehr anzuwendenden abstrakten Vertrauensschutzes handelt, also zwar einerseits einfache deliktsrechtliche Beziehungen nicht geschützt werden, andererseits aber nicht erforderlich ist, dass in der Person des Dritten ein Kausalzusammenhang zwischen Registerstand und Anspruchsbegründung besteht.
2. Wirkung eingetragener und bekannt gemachter Tatsachen nach § 15 Abs. 2 HGB
Rz. 67
Die Registereintragung samt – mittels öffentlicher Abrufbarkeit erfolgter – Bekanntmachung (§ 10 Abs. 1 HGB) gibt dem Eintragungspflichtigen ein Mittel zur Zerstörung eines Rechtsscheins, auf den sich Gutgläubige verlassen dürften. Auf diesem Weg wird durch die Registereintragung das ggf. bestehende Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Fortbestand der bisherigen oder der gesetzlich normierten Rechtslage zerstört. I.R.d. § 15 Abs. 2 HGB spielt es hierzu keine Rolle, ob die Eintragung deklaratorische oder konstitutive Wirkung hat. Allerdings findet auch diese Vorschrift nur Anwendung auf eintragungspflichtige, nicht also auf freiwillig registrierbare Vorgänge. Die Schonfrist des § 15 Abs. 2 Satz 2 HGB verhilft i.Ü. dem Rechtsverkehr dazu, auf die Bekanntmachung der neuen Tatsache reagieren zu können und ggf. neu zu disponieren.
3. Positive Publizität gem. § 15 Abs. 3 HGB
Rz. 68
Zwar bestehen zur Anwendung der positiven Publizität des § 15 Abs. 3 HGB in vielen Detailfragen Streitigkeiten. Maßgeblich soll allerdings nach herrschender Meinung sein, ob die Bekanntmachung in der Sache unrichtig ist, also letztlich nicht mit der realen Rechtslage übereinstimmt. Dies kann bei deklaratorischen Eintragungen im Register auch daran liegen, dass die eingetragene Tatsache in Wirklichkeit nicht vorliegt. Auf eine eingetragene Prokura dürfen sich demzufolge Dritte i.R.d. § 15 Abs. 3 HGB auch dann berufen, wenn sie nie erteilt wurde.
Um uferlose Haftungsfolgen auszuschließen, wird allerdings überwiegend die Haftung des § 15 Abs. 3 HGB nur dann für anwendbar erachtet, wenn die Eintragung der in Haftung genommenen Person zurechenbar ist. Dies bedeutet, dass die Registe...