Rz. 236

Die entscheidende Frage beim Fremdgeld ist jedoch, unter welchen Umständen Fremdgeldbeträge mit offenen Vergütungsansprüchen des RA verrechnet werden können. Dies soll an folgenden Fällen dargestellt werden:

 

Rz. 237

 

Fall 1:

Der Mandant zahlt 500,00 EUR zur Weiterleitung an seinen Gläubiger auf das Sammelanderkonto. Der Rechtsanwalt möchte dies mit seiner fälligen und abgerechneten Vergütungsforderung verrechnen.

Grds. ist die Verrechnung aus dem Umkehrschluss aus § 4 Abs. 3 BORA möglich, soweit das Fremdgeld nicht zweckgebunden ist und an einen Dritten weitergeleitet werden soll. Hier ist jedoch das Fremdgeld zur Weiterleitung an einen Dritten (hier der Gläubiger) zweckgebunden, sodass eine Verrechnung ausgeschlossen ist. Dies nennt man auch das sog. anwaltsspezifische Aufrechnungsverbot. Dieses gilt zum Bespiel auch bei der Weiterleitung von Gerichtskosten.

 

Rz. 238

 

Fall 2:

In einer Forderungsangelegenheit gehen 2.000,00 EUR vom Gegner auf das Rechtsanwaltssammelanderkonto ein. Der eingehende Betrag entspricht der Hauptforderung des Mandanten nebst Verzugszinsen. Der Rechtsanwalt möchte einen Teil davon mit seinen noch nicht abgerechneten Gebühren verrechnen.

Für die Verrechnung von Fremdgeldern ist nach dem BGH (Urt. v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, NJW 98, 3486) die Einforderbarkeit der Vergütung erforderlich. Eine Vergütung ist jedoch erst vom Auftraggeber einforderbar, wenn sie

1. fällig (§ 8 RVG) ist bzw. als Vorschuss (§ 9 RVG) geltend gemacht wurde und
2. eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung gem. § 10 RVG erfolgt ist.

Beides ist im vorliegenden Fall nicht erfolgt, sodass auch hier eine Aufrechnung zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen wäre. Der RA könnte jedoch zu dem Zeitpunkt, in dem das Fremdgeld bei ihm eingeht, eine Vorschussrechnung an den Mandanten stellen und sodann das Fremdgeld verrechnen.

 

Rz. 239

 

Fall 3:

Mandant M hat sowohl als Privatperson als auch mit seiner Firma (M & S GbR), die er zusammen mit seinem Geschäftspartner S betreibt, Akten bei Ihnen. In der Privatakte M ./. C gehen 1.000,00 EUR auf das Sammelanderkonto ein. Der RA möchte wie folgt verrechnen:

a) 500,00 EUR auf seine einforderbare Vergütung in der Sache GbR-Gründung und
b) 500,00 EUR auf seine Vorschussrechnung in Sachen M ./. dito Ehescheidung.

Bei der Verrechnung ist zu beachten, dass der Auftraggeber identisch sein muss. Eine Verrechnung vom Fremdgeld aus einer Privatakte mit Vergütungsansprüchen aus einer Firmenakte ist daher immer ausgeschlossen (Beispiel a).

Hinsichtlich der Verrechnung von Fremdgeld aus einer Privatakte mit Vergütungsansprüchen einer anderen Privatakte ist die Rechtsprechung nicht einheitlich. Der BGH (BGH, Urt. v. 2.7.1998 – IX ZR 63/97, NJW 1998, 3486) hat eine Verrechnung auch bei nicht konnexen (zusammenhängenden) Forderungen nicht ausgeschlossen. Das OLG Düsseldorf (MDR 1999, 64) hingegen hat eine Verrechnung in diesen Fällen verneint, mit der Begründung, der RA würde hier seine Stellung treuewidrig ausnutzen. In der Praxis sollte man daher genau abwägen, ob eine Verrechnung vorgenommen werden soll, zumal man ggf. noch ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 273 BGB geltend machen könnte. In diesem Fall müsste das Geld jedoch weiterhin auf einem Anderkonto verwahrt werden und dürfte nicht auf das Geschäftskonto transferiert werden (Beispiel b).

 

Rz. 240

 

Fall 4:

Auf dem Rechtsanwaltssammelanderkonto geht ein Unterhaltsbetrag von 250,00 EUR monatlich für den Mandanten ein. Der Rechtsanwalt will diesen Fremdgeldbetrag mit seinem einforderbaren Vergütungsanspruch verrechnen.

In diesem Fall ist der Fremdgeldbetrag für den Auftraggeber und nicht für einen Dritten bestimmt, sodass das anwaltsspezifische Aufrechnungsverbot nicht eingreift.

Der RA hat aber auch die allgemeinen Aufrechnungsverbote gem. § 394 BGB zu beachten. So sind etwa gesetzliche Unterhaltszahlungen oder Kindergeld unpfändbar, aber auch die Pfändungsfreigrenzen der §§ 850 ff. ZPO bei Auszahlung von Gehältern in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten sind zu beachten.

Im vorliegenden Fall wäre eine Verrechnung daher ausgeschlossen.

 

Rz. 241

 

Praxistipp:

Auch bei einer ordnungsgemäßen und erlaubten Verrechnung bedarf es ferner der detaillierten Information an den Auftraggeber über die durchgeführte Verrechnung. Diese hat gem. § 23 BORA spätestens am Ende des Mandates zu erfolgen.

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