Rz. 194
Allerdings sind auch minderjährige Kinder grundsätzlich verpflichtet zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, wenn nicht wichtige Gesichtspunkte dem entgegenstehen. Kommt der Minderjährige dieser Verpflichtung nicht nach, indem er die Schule nicht mehr besucht und keine Ausbildung beginnt, verstößt er mit diesem Verhalten gegen seine Erwerbsobliegenheit und muss sich in erzielbarer Höhe fiktive Einkünfte bedarfsdeckend zurechnen lassen. Das minderjährige Kind, das eine Teilzeitausbildung absolviert, muss einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, um seiner Erwerbsobliegenheit zu entsprechen.
a) Beschäftigungsverbot für minderjährige Kinder
Rz. 195
Minderjährige Kinder dürfen bis Vollendung des 15. Lebensjahres bzw. solange sie der Vollzeitschulpflicht unterliegen nach §§ 2 Abs. 3, 5 Abs. 1, 7 Abs. 1 JugArbSchG nicht beschäftigt werden und können folglich einer Erwerbstätigkeit nicht nachgehen. Typische Schülerarbeit (Nachhilfe, Zeitungen austragen o.Ä.) zur Aufbesserung des Taschengelds ist als für das Kind unzumutbare Tätigkeit einzuordnen, sodass hieraus erzieltes Einkommen in entsprechender Anwendung des § 1577 Abs. 2 nicht auf den Unterhaltsanspruch angerechnet wird.
Rz. 196
Praxistipp
Billigkeitsgründe, so wenn der Unterhaltsberechtigte Einkünfte erzielt, die höher als ein großzügig bemessenes Taschengeld sind, können jedoch zu Ausnahmen von diesem Grundsatz führen, sodass Einkommen des minderjährigen Kindes, das das 15. Lebensjahr nicht vollendet hat und/oder der Vollzeitschulpflicht unterliegt, aus unzumutbarer Tätigkeit auf den Unterhaltsanspruch – zumindest teilweise – anzurechnen ist.
b) Minderjährige Kinder in Ausbildung
Rz. 197
Ein minderjähriges Kind hat nach Vollendung des 15. Lebensjahres und/oder Beendigung der Vollschulzeitpflicht nicht nur einen Unterhaltsanspruch nach § 1610 Abs. 2 während der (Berufs-)Ausbildungszeit, sondern das Recht auf eine angemessene Ausbildung, die es in die Lage versetzt später seinen Unterhalt selbst durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen. Allerdings trifft das Kind auch eine Ausbildungsobliegenheit. Diese Obliegenheit kann das Kind durch Fortführung der allgemeinen Schulausbildung, Aufnahme einer Berufsausbildung oder Studiums (solche Fälle sind vor dem Hintergrund des G8 denkbar) erfüllen.
Sofern es dieser nicht nachkommt, besteht die Erwerbsobliegenheit für das minderjährige Kind. Ein Minderjähriger, der die Schule nicht mehr besucht, aber auch keine Ausbildung aufnimmt, ist nicht mehr bedürftig. Während der Ausbildung hingegen ist das Kind bedürftig i.S.d. § 1602.
Rz. 198
Minderjährige Schüler brauchen neben dem Schulbesuch keiner Nebentätigkeit nachzugehen, da sie insofern keine Erwerbsobliegenheit trifft. Grund hierfür ist, dass sich der minderjährige Schüler seiner Ausbildung mit ganzer Kraft sowie dem gehörigen Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit widmen soll, um den vorgesehenen Schulabschluss innerhalb angemessener und üblicher Dauer erfolgreich zu erreichen. Dies gilt selbstverständlich auch für die (Sommer-) Ferienzeit, da der Schulbesuch mit der Ausübung einer Vollzeittätigkeit vergleichbar ist, neben der dem Unterhaltsgläubiger nur in Ausnahmefällen die Aufnahme einer Nebentätigkeit obliegt.
Rz. 199
Die Aufnahme einer Nebentätigkeit bei Schulbesuch ist dem minderjährigen Kind selbst bei sehr beengten wirtschaftlichen Verhältnissen des Unterhaltsschuldners nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen zuzumuten. Dies ist dann der Fall, wenn die Nebentätigkeit auch eine durchaus sinnvolle Ergänzung zur Ausbildung darstellt und ihr Umfang den Schüler nicht übermäßig, z.B. vier Wochenstunden, belastet. Allerdings muss der Unterhaltsschuldner in der Konsequenz eine sich hieraus ergebende Verlängerung der Ausbildungszeit hinnehmen.
c) Die Erwerbsobliegenheit minderjähriger Kinder bei Schwangerschaft, Betreuung eines eigenen Kindes und in Notlagen
Rz. 200
Grundsätzlich ist auch ein minderjähriges Kind zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet, wenn es das 15. Lebensjahr vollendet hat, die Vollzeitschulpflicht nicht mehr besteht und es sich nicht in Ausbildung befindet.
aa) Schwangerschaft der minderjährigen Tochter
Rz. 201
Die minderjährige schwangere Tochter, die aufgrund der Schwangerschaft nicht erwerbstätig ist, kann unter Umständen einen Unterhaltsanspruch gegen ihre Eltern nach § 1601 haben. Allerdings nur, wenn der vorrangige Anspruch auf Betreuungsunterhalt gegen den Kindsvater nach § 1615l ...