Rz. 215
Die sämtlichen erzielten Einkünfte des minderjährigen Kindes sind bei der Ermittlung seiner Bedürftigkeit zu berücksichtigen und führen in der Regel konsequenterweise zur Minderung seiner Bedürftigkeit. Subsidiäre Sozialleistungen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers hingegen nicht auf den Unterhaltsanspruch angerechnet werden. Nach § 1602 Abs. 2 muss das minderjährige Kind aber nicht den Stamm seines Vermögens verwerten, sofern die Eltern leistungsfähig sind.
Rz. 216
Die Beurteilung der Einkünfte eines minderjährigen und dem Minderjährigen gleichgestellten Kindes lassen sich im Hinblick auf ihre Anrechnung schematisch wie folgt darstellen:
Anrechenbare Einkünfte: |
Nicht anrechenbare Einkünfte: |
Ausbildungsvergütung |
Sozialhilfe nach SGB XII |
Sonstige Einkünfte aus Erwerbstätigkeit |
Grundsicherung nach SGB II |
Leistungen nach dem UVG |
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Fiktives Einkommen wegen Verstoß gegen Erwerbsobliegenheit |
Erziehungsgeld bzw. Elterngeld |
Waisen- und Halbwaisenrente |
Vorausleistungen nach BAföG |
Endgültige BAföG-Leistungen |
weitergeleitetes Pflegegeld |
Einkünfte aus Vermögen |
Überobligatorische und geringfügige Tätigkeit |
Nicht subsidiäre Sozialleistungen |
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Rz. 217
Das anrechenbare Einkommen des Kindes entlastet wegen des Grundsatzes der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 Satz 2) beide Elternteile gleichermaßen, nämlich je zur Hälfte. Daher sind die anrechenbaren Einkünfte des minderjährigen Kindes zur Hälfte im Sinne einer Reduzierung des Barunterhalts zu berücksichtigen. Die andere Hälfte der anrechenbaren Einkünfte des minderjährigen Kindes gleicht die Betreuungsleistungen des betreuenden Elternteils aus. Sofern beide Elternteile auch für das minderjährige Kind – ausnahmsweise, z.B. aufgrund eigenen Hausstands des Kindes – barunterhaltspflichtig sind, ist das anrechenbare Einkommen des minderjährigen Kindes vom Bedarf in Abzug zu bringen. Der Restbedarf ist dann anteilig gemäß den jeweiligen Einkünften der Elternteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 auf die Eltern zu verteilen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
a) Die Ausbildungsvergütung des minderjährigen Kindes
Rz. 218
Auf den Unterhaltsanspruch anrechenbare Einkünfte des minderjährigen Auszubildenden sind Ausbildungsvergütung, Ausbildungsbeihilfen, Zuschüsse während eines Praktikums und ähnliche Bezüge ab dem Zeitpunkt der Zahlung.
Rz. 219
Vor Anrechnung ist ein Abzug der ausbildungsbedingten Aufwendungen oder des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs (Fahrtkosten, Unterrichtsmaterialien, Kleidung o.ä.) vorzunehmen, dessen Höhe nicht pauschal mit der Hälfte der Ausbildungsvergütung beziffert werden kann, sondern grundsätzlich anhand der besonderen Verhältnisse des konkreten Einzelfalls zu bestimmen ist.
Rz. 220
Praxistipp
Für die oft schwierige konkrete Bezifferung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs ist es zulässig, sich an Richtsätzen und Leitlinien, die auf die gegebenen Verhältnisse abgestimmt sind, sowie sich an der Lebenserfahrung zu orientieren.
Rz. 221
Nach den SüdL kann der ausbildungsbedingte Mehrbedarf mit einer Pauschale von 100 EUR monatlich beziffert werden. Die Beträge der Düsseldorfer Tabelle sind im Wesentlichen auf den Bedarf eines Schulkindes zugeschnitten und daher für den minderjährigen Auszubildenden, der bereits am Berufsleben teilnimmt und daher einen höheren, nur schwer zu beziffernden Bedarf hat, nur eingeschränkt anwendbar. Daher sollen die üblichen berufsbedingten Aufwendungen pauschal mit einem Betrag von 100 EUR monatlich abgegolten werden.
Rz. 222
Will der minderjährige Auszubildende über die Ausbildungsaufwandspauschale hinausgehende Ausbildungskosten geltend machen, so muss er diese konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen. Grundsätzlich kann auch in Mangellagen die konkrete Darlegung und Anrechnung der Ausbildungskosten vom Unterhaltsschuldner verlangt werden.
Rz. 223
Lebt der minderjährige Auszubildende bereits in einem eigenen Haushalt beläuft sich sein Bedarf nach Düsseldorfer Tabelle auf derzeit 735 EUR monatlich. Eine Anrechnung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs mit einer Pauschale in Höhe von 90 EUR monatlich findet nicht statt. In dem Bedarf von 930 EUR (DT 2023, A. 7) sind diese Kosten bereits berücksichtigt.
Rz. 224
Praxistipp
Es kann hier jedoch darüber nachgedacht werden, dem minderjährigen Auszubildenden mit eigenem Hausstand eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 5 % in Anlehnung an die berufsbedingten Aufwendungen zuzugestehen.
Rz. 225
Das um den ausbildungsbedingten Mehrbedarf des minderjährigen Auszubildenden bereinigte Einkommen muss grundsätzlich im Rahmen des Unterhaltsanspruchs gegen beide Elternteile Berücksichtigung finden, wenn das Kind im Haushalt eines Elternteils lebt. Ein Elternteil leistet den an das minderjährige Kind geschuldeten Unterhalt durch Zahlung, der andere Elternteil durch Betreuung. Beide Teile des Unterhaltsanspruchs stehen gleichwertig nebeneinander (§ 1606 Abs. 3 Satz 2), sodass das ber...