Rz. 898
Bei beiderseitiger Leistungsfähigkeit sind grundsätzlich dem volljährigen Kind gegenüber beide Elternteile barunterhaltspflichtig. Für den Bedarf ihres volljährigen Kindes haften die Eltern anteilig nach dem Verhältnis ihrer verfügbaren Einkommen (§ 1606).
a) Das volljährige Kind im Haushalt der Eltern
Rz. 899
Lebt das volljährige Kind bei seinen nicht getrennten Eltern in deren Haushalt stellt sich das Problem der anteiligen Haftung der Eltern nicht. Das volljährige Kind erhält Naturalunterhalt als Teil des Familienunterhalts. Die Eltern haben – zumindest konkludent – eine diesbezügliche Bestimmung nach § 1612 Abs. 2 Satz 1 vorgenommen.
Rz. 900
Praxistipp
Die Eltern schulden dem volljährigen Kind, das in ihrem Haushalt lebt, Unterhaltsleistung in Geld nur ausnahmsweise, nämlich wenn ein Elternteil oder beide ihre Pflicht verletzen, zum Familienunterhalt beizutragen.
b) Das volljährige Kind im Haushalt eines Elternteils
Rz. 901
Lebt das volljährige Kind im Haushalt eines getrennt lebenden Elternteils, schulden beide Elternteile entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen dem Kind Barunterhalt, da Betreuungsunterhalt dem volljährigen Kind nicht mehr geschuldet wird. Allerdings scheidet die Inanspruchnahme auf Barunterhalt des Elternteils, bei dem das Kind lebt, in der Regel aus, da das volljährige Kind von diesem Naturalunterhalt erhält.
c) Das volljährige Kind mit eigenem Hausstand
Rz. 902
Unterhält das volljährige Kind einen eigenen Haushalt haften beide Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen für den Barunterhalt des volljährigen Kindes.
d) Ermittlung der (anteiligen) Haftungsquoten der Eltern
Rz. 903
Für den Restbedarf, mithin den Barunterhalt, haften die Eltern anteilig nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen.
aa) Der Restbedarf des volljährigen Kindes
Rz. 904
Die Eltern haften nur für den Restbedarf ihres volljährigen Kindes. Das bedeutet, dass vom Lebensbedarf des Kindes seine – anrechenbaren – Einkünfte sowie das Kindergeld in voller Höhe gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 (bedarfsmindernd) in Abzug zu bringen sind.
Rz. 905
Schema zur Ermittlung des Restbedarfs des volljährigen Kindes
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Feststellung und Bezifferung des gesamten Lebensbedarfs des volljährigen Kindes anhand der Tabellen und Leitlinien, |
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Ermittlung des anrechnungsfähigen Einkommens des volljährigen Kindes durch Abzug des Erwerbsaufwands u.a., |
▪ |
bedarfsmindernde Anrechnung eigenen Einkommens des volljährigen Kindes und |
▪ |
bedarfsmindernde Anrechnung des Kindergelds in voller Höhe, |
ergibt den Restbedarf des volljährigen Kindes.
bb) Leistungsfähigkeit der Eltern
Rz. 906
Für diesen Restbedarf haften die Eltern anteilig gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 nach ihrer Leistungsfähigkeit, also nach den ihnen nach den allgemeinen Grundsätzen der Einkommensermittlung zu Unterhaltszwecken tatsächlich vorhandenen Mittel. Der Umfang der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils ist anhand seines Einkommens und der unterhaltsrechtlich gebotenen Abzüge zu ermitteln.
Rz. 907
Im Wesentlichen verringert sich das jeweilige Einkommen um
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die gesetzlichen Abzüge, Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Altersvorsorge (primär und sekundär), |
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Verbindlichkeiten, sofern diese unterhaltsrechtliche zu berücksichtigen sind, |
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Kosten für krankheitsbedingten Mehrbedarf, |
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Kosten für die Betreuung minderjähriger Kinder oder Betreuungsbonus, sofern die Betreuung tatsächlich – noch – erforderlich ist, |
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Unterhaltszahlung an nach § 1609 vorrangig berechtigte Unterhaltsschuldner. |
Rz. 908
Allerdings geht der BGH davon aus, dass bei durchschnittlichen Einkünften keine schematische Quotierung proportional zur Höhe der beiderseitigen Einkommen vorzunehmen, sondern eine wertende Betrachtung geboten ist, um eine unterschiedliche Belastung der Bezieher unterschiedlich hoher Einkünfte zu vermeiden. In welcher Weise dies geschieht, unterliegt weitgehend der Beurteilung des Tatrichters. Eine billigenswerte Methode, um dem Rechnung zu tragen, bestehe – so der BGH – darin, die Haftungsquoten erst nach dem Abzug der für den eigenen Unterhalt erforderlichen Beträge (Selbstbehalt) nach dem Verhältnis der verbleibenden Mittel zu bestimmen, wie es einer verbreiteten Praxis entspricht.
Daher ist der jeweilige Elternteil nur leistungsfähig, soweit sein Resteinkommen seinen angemessenen Selbstbehalt in Höhe von derzeit 1.650 EUR übersteigt.
Rz. 909
Praxistipp
Auch hinsichtlich des Selbstbehalts gelten die allgemeinen Grundsätze. So ist dieser z.B. wegen Synergie-Effektes einer neuen Partnerschaft zu reduzieren.
cc) Die Ermittlung der Haftungsquote
Rz. 910
Die Ermittlung der Haftungsquote kann als Formel wie folgt dargestellt werden:
Restbedarf x Einkommen des Elternteils |
Summe der Einkommen beider Elternteile |
In Worten:
Der Restbedarf des volljährigen Kindes wi...