Rz. 154
Der Begriff des Sonderbedarfs ist legaldefiniert in § 1613 Abs. 2 Nr. 1. Danach handelt es sich bei Sonderbedarf um nicht regelmäßig anfallenden, sog. außerordentlichen Bedarf.
Rz. 155
Sowohl Sonder- als auch Mehrbedarf stellen eine Art des Zusatzbedarfs neben dem allgemeinen Lebensbedarf (Elementarbedarf) des Unterhaltsberechtigten dar. Daher ist es erforderlich die beiden Arten des Zusatzbedarfs voneinander abzugrenzen. Mehrbedarf ergibt sich aus regelmäßig anfallenden außergewöhnlich hohen Kosten, die neben dem Elementarbedarf anfallen und daher nicht von den Regelsätzen der Düsseldorfer Tabelle abgedeckt werden. Sonderbedarf nach der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 hingegen ist ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf, der nur dann gegeben ist, wenn der zusätzliche Bedarf überraschend, in der Höhe nach nicht abschätzbar und nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und deshalb bei der Bedarfsplanung und bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente – auch als Mehrbedarf – nicht berücksichtigt werden konnte.
Rz. 156
Sonderbedarf als Zusatzbedarf kann als eigenständiger Bestandteil des Unterhaltsanspruchs nur ausnahmsweise neben dem laufenden Bar- und/oder Betreuungsunterhalt verlangt werden. Er muss sich als "außergewöhnlich" hoher Bedarf (§ 1613 Abs. 2) darstellen, sodass es im Zweifel bei der laufenden Unterhaltsrente verbleibt. Nur in Ausnahmefällen kann im Wege der Geltendmachung von Sonderbedarf ein Ausgleich zusätzlicher unvorhergesehener Ausgaben begehrt werden.
Rz. 157
Praxistipp
Der Sonderbedarf kann vom Unterhaltsberechtigten außerhalb des Abänderungsverfahrens, wie dies für den laufenden Unterhalt und den Mehrbedarf erforderlich ist, geltend gemacht werden. Darüber hinaus kann er im Nachgang innerhalb eines Jahres ohne Inverzugsetzung verlangt werden.
Rz. 158
Sofern feststeht, dass es sich bei dem weiteren Bedarf um Sonderbedarf handelt, haftet der Unterhaltsschuldner nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 auch für diesen im Sinne einer verschärften Leistungspflicht für den Sonderbedarf des minderjährigen bzw. privilegiert volljährigen (§ 1603 Abs. 2 Satz 2) Kindes. Der Unterhaltsschuldner ist bei eingeschränkter Leistungsfähigkeit unter Umständen verpflichtet, den Anspruch auf Ausgleich des Sonderbedarfs ratenweise wegzufertigen.
Rz. 159
Die Eltern haften für den Sonderbedarf des Kindes anteilig nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 im Verhältnis ihrer (auch fiktiv anzurechnenden) Einkünfte.
Rz. 160
Praxistipp
Die anteilige Haftung der Eltern im Verhältnis ihrer – fiktiven – Einkünfte besteht auch für den Sonderbedarf des minderjährigen und/oder privilegiert volljährigen Kindes. So ergibt sich eine anteilige Haftung des Betreuungsunterhalt leistenden Elternteils.
Rz. 161
Zu der Problematik des Sonderbedarfs, insbesondere im Hinblick auf dessen Abgrenzung vom Mehrbedarf, sind in der Vergangenheit durch die Instanzgerichte zahlreiche Entscheidungen ergangen. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des BGH vom 15.2.2006 hervorzuheben. Dort wird darauf hingewiesen, dass Sonderbedarf nur in Ausnahmefällen zugesprochen werden könne. Außerdem sind wohl Entscheidungen, die die Rechtslage bis 31.12.2007 zugrunde legen, aufgrund der Änderungen der §§ 1612, 1612a und 1612b durch das UÄndG 2007 mittlerweile unbeachtlich.
Rz. 162
Daher kann in der praktischen Anwendung nur empfohlen werden, sich bei der Geltendmachung von Sonderbedarf eng an der Legaldefinition des § 1613 Abs. 2 argumentativ zu orientieren, wonach Sonderbedarf ein unregelmäßiger, außergewöhnlich hoher Bedarf ist. Dieser ist nur dann gegeben, wenn der zusätzliche Bedarf überraschend, in der Höhe nach nicht abschätzbar und nicht mit einiger Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und deshalb bei der Bedarfsplanung und bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente – auch als Mehrbedarf – nicht berücksichtigt werden konnte.
Rz. 163
Die Kosten für Kommunion, Konfirmation und andere kirchliche Feiern stellen keinen Sonderbedarf dar. Die Entstehung der Kosten sind spätestens mit Beginn des Kommunions- bzw. Konfirmandenunterrichts absehbar und nicht überraschend.
Rz. 164
Gleiches gilt für die Kosten für Klassenfahrten und Austauschprogramme. Auch diese Kosten sind regelmäßig vorhersehbar und daher nicht überraschend i.S.d. § 1613 Abs. 2 Nr. 1.
Rz. 165
Soweit es sich bei Krankheitskosten um solche für eine medizinisch indizierte (zahn-)ärztliche oder kieferorthopädische Behandlung, auch "Speed-Brackets" oder eine Operation handelt, sind diese Kosten Sonderbedarf, wenn und soweit sie nicht von der Krankenversicherung getragen werden.
Rz. 166
Infolgedessen werden die Kosten eines Führerscheins vor allem wegen ihrer Vorhersehbarkeit und Planbarkeit überwiegend nicht als Sonderbedarf angesehen. Vielmehr stellen sie Aufwendungen dar, die grundsätzlich zum laufenden Unterhalt zu zählen sind, der so zu bemessen ist, dass sämtliche voraussehbaren Ausgaben abgedeckt werden und bei größeren v...