Rz. 170
Grundsätzlich stehen im Rahmen des Unterhaltsanspruchs des minderjährigen Kindes Barunterhalt und Betreuungsunterhalt gleichwertig nebeneinander. Das bedeutet, dass ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind durch Betreuung, der andere Elternteil hingegen durch Zahlung nachkommt. Mithin haftet nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 der barunterhaltspflichtige Elternteil für den gesamten Barunterhalt.
Rz. 171
Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen mit Auswirkung auf die Bedarfsbemessung, nämlich wenn
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das minderjährige Kind von Dritten betreut wird. |
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das minderjährige Kind mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils in einem eigenen Haushalt lebt. |
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wenn die Eltern und das minderjährige Kind ein – strenges – Wechselmodell leben, das Kind also von beiden Elternteilen zu annähernd gleichen Teilen betreut wird. |
Rz. 172
In den vorgenannten Fällen ist bei der Bedarfsbemessung zu differenzieren. Jedenfalls besteht eine Barunterhaltspflicht beider Elternteile.
Rz. 173
Der Gesetzgeber und auch die in der Düsseldorfer Tabelle angegebenen Bedarfsätze legen den Sachverhalt zugrunde, dass die Eltern des minderjährigen Kindes getrennt leben, das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei einem Elternteil und daher wegen des Zusammenlebens mit diesem einen Elternteil verminderte Bedürfnisse, insbesondere für Wohnraum, hat.
a) Die Bedarfsbemessung bei Fremdbetreuung durch einen Dritten
Rz. 174
Wird das minderjährige Kind mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern von einem Dritten betreut, sind beide Elternteile anteilig barunterhaltspflichtig.
Rz. 175
Eine Auffassung will den Bedarf des von Dritten betreuten minderjährigen Kindes in der Regel nach den konkret für die auswärtige Unterbringung (Heim, Internat) anfallenden Kosten unter Berücksichtigung des Wertes der Restbetreuung am Wochenende durch einen Elternteil bemessen. Das Kindergeld soll bei diesen Sachverhalten nach der geänderten Rechtsprechung des BGH und der Neufassung des § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe bedarfsdeckend anzusetzen sein.
Die andere Auffassung geht zwar auch von der anteiligen Barunterhaltspflicht beider Elternteile aus, bemisst den Bedarf des minderjährigen Kindes jedoch anhand seines gesamten Lebensbedarfs gemäß Regelbetrag der Düsseldorfer Tabelle zuzüglich des Betreuungsbedarfs, der wegen der Fremdbetreuung nicht mehr der pauschalen Regelung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 unterliegt. Daher sollen Regelbetrag und Betreuungsbetrag zu bemessen sein. Der Regelbetrag ergibt sich aus der Düsseldorfer Tabelle, wobei die Einkommen beider Elternteile zu addieren sind. Bei Barunterhaltsverpflichtung beider Elternteile leitet das minderjährige Kind seine Lebensstellung aus dem – addierten – Einkommen beider Elternteile her. Ausgeschlossen soll jedoch sein, dass ein Elternteil einen höheren Unterhalt(-steil) als sich aus seinem Einkommen gemäß der Düsseldorfer Tabelle ergibt zu bezahlen hat, wobei diese Beschränkung in Sonderfällen, wie bei Vorliegen einer Behinderung des minderjährigen Kindes, nicht gelten soll.
Rz. 176
Der neben dem Regelbetrag für die Bedarfsbemessung relevante Betreuungsbetrag ist nach Ansicht des BGH grundsätzlich pauschal, nämlich in Höhe des Barunterhalts, mithin des Regelbetrags, zu bemessen. Als Argument für seine Auffassung zieht der BGH im Wesentlichen die einfache Bemessung der Leistung sowie die Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt heran.
Rz. 177
Praxistipp
Der Meinungsstreit wurde an dieser Stelle ausführlich dargestellt, da dem Praktiker die Möglichkeit eröffnet werden soll, beide Ansichten mit den unterschiedlichen Ergebnissen – nach dem Grundsatz der "Meistbegünstigung" des eigenen Mandanten – zu vertreten. Außerdem kann die Methode der Bedarfsbemessung den dem anwaltlichen Vertreter vorliegenden Unterlagen angepasst werden. Es erscheint wahrscheinlicher, dass die konkreten Kosten der auswärtigen Unterbringung als die jeweiligen Einkommensverhältnisse beider Elternteile bekannt sind. Im Übrigen ist bei der Bedarfsbemessung nach der ersten Auffassung weder eine Auskunftserteilung durch den anderen Elternteil noch die Ermittlung des relevanten monatlichen Nettoeinkommens erforderlich.
b) Die Bedarfsbemessung bei eigenem Hausstand des minderjährigen Kindes
Rz. 178
Der Bedarf des minderjährigen Kindes, das mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern einen eigenen Hausstand führt, bestimmt sich in der Regel nach den Bedarfssätzen für Volljährige. Auch bei dieser Konstellation ist das Kindergeld gemäß § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 in voller Höhe bedarfsdeckend anzusetzen. Beide Elternteile schulden anteilig nach ihren Einko...