Rz. 218

Auf den Unterhaltsanspruch anrechenbare Einkünfte des minderjährigen Auszubildenden sind Ausbildungsvergütung, Ausbildungsbeihilfen, Zuschüsse während eines Praktikums und ähnliche Bezüge ab dem Zeitpunkt der Zahlung.[283]

 

Rz. 219

Vor Anrechnung ist ein Abzug der ausbildungsbedingten Aufwendungen oder des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs (Fahrtkosten, Unterrichtsmaterialien, Kleidung o.ä.) vorzunehmen,[284] dessen Höhe nicht pauschal mit der Hälfte der Ausbildungsvergütung beziffert werden kann, sondern grundsätzlich anhand der besonderen Verhältnisse des konkreten Einzelfalls zu bestimmen ist.

 

Rz. 220

 

Praxistipp

Für die oft schwierige konkrete Bezifferung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs ist es zulässig, sich an Richtsätzen und Leitlinien, die auf die gegebenen Verhältnisse abgestimmt sind, sowie sich an der Lebenserfahrung zu orientieren.[285]

 

Rz. 221

Nach den SüdL kann der ausbildungsbedingte Mehrbedarf mit einer Pauschale von 100 EUR monatlich beziffert werden.[286] Die Beträge der Düsseldorfer Tabelle sind im Wesentlichen auf den Bedarf eines Schulkindes zugeschnitten und daher für den minderjährigen Auszubildenden, der bereits am Berufsleben teilnimmt und daher einen höheren, nur schwer zu beziffernden Bedarf hat, nur eingeschränkt anwendbar. Daher sollen die üblichen berufsbedingten Aufwendungen pauschal mit einem Betrag von 100 EUR monatlich abgegolten werden.[287]

 

Rz. 222

Will der minderjährige Auszubildende über die Ausbildungsaufwandspauschale hinausgehende Ausbildungskosten geltend machen, so muss er diese konkret darlegen und gegebenenfalls beweisen. Grundsätzlich kann auch in Mangellagen die konkrete Darlegung und Anrechnung der Ausbildungskosten vom Unterhaltsschuldner verlangt werden.[288]

 

Rz. 223

Lebt der minderjährige Auszubildende bereits in einem eigenen Haushalt beläuft sich sein Bedarf nach Düsseldorfer Tabelle auf derzeit 735 EUR monatlich.[289] Eine Anrechnung des ausbildungsbedingten Mehrbedarfs mit einer Pauschale in Höhe von 90 EUR monatlich findet nicht statt.[290] In dem Bedarf von 930 EUR (DT 2023, A. 7) sind diese Kosten bereits berücksichtigt.[291]

 

Rz. 224

 

Praxistipp

Es kann hier jedoch darüber nachgedacht werden, dem minderjährigen Auszubildenden mit eigenem Hausstand eine Pauschale für ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 5 % in Anlehnung an die berufsbedingten Aufwendungen zuzugestehen.

 

Rz. 225

Das um den ausbildungsbedingten Mehrbedarf des minderjährigen Auszubildenden bereinigte Einkommen muss grundsätzlich im Rahmen des Unterhaltsanspruchs gegen beide Elternteile Berücksichtigung finden, wenn das Kind im Haushalt eines Elternteils lebt. Ein Elternteil leistet den an das minderjährige Kind geschuldeten Unterhalt durch Zahlung, der andere Elternteil durch Betreuung. Beide Teile des Unterhaltsanspruchs stehen gleichwertig nebeneinander (§ 1606 Abs. 3 Satz 2), sodass das bereinigte Ausbildungseinkommen des minderjährigen Kindes auch bei beiden Elternteilen jeweils auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen ist. Also werden die bereinigten Einkünfte des Kindes nur zur Hälfte auf den Barunterhalt angerechnet, die andere Hälfte der bereinigten Einkünfte dient als Ausgleich für Betreuungsleistung des anderen Elternteils.[292]

 

Rz. 226

Etwas Anderes gilt, wenn ausnahmsweise beide Eltern dem Minderjährigen gegenüber barunterhaltspflichtig sind, weil dieser auswärtig untergebracht ist (Heim, Pflegeeinrichtung o.ä.) oder bereits einen eigenen Hausstand führt. In diesen Fällen ist grundsätzlich wie beim volljährigen Kind das bereinigte Einkommen des Kindes in voller Höhe vom Bedarf abzuziehen und erst der Restbedarf anteilig nach 1606 Abs. 3 Satz 2 auf die Eltern zu verteilen.

 

Rz. 227

Für den Fall, dass ein Elternteil verstorben ist, gilt:

Der noch lebende Elternteil muss Barunterhalt als auch den Betreuungsunterhalt leisten. Sofern er das minderjährige Kind selbst betreut, ist die halbe Halbwaisenrente auf den Bedarf des Kindes im Rahmen des Barunterhalts anzurechnen. Die andere Hälfte der Halbwaisenrente kommt dem Elternteil in Anrechnung auf den Betreuungsunterhalt zugute. Wird die Betreuung des minderjährigen Kindes von dritter Seite geleistet, werden Bar- und Betreuungsunterhalt insgesamt in Höhe des doppelten Tabellenbetrags angesetzt. Die Halbwaisenrente wird in voller Höhe angerechnet.[293]

[283] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 112.
[284] BGH FamRZ 1988, 159; FamRZ 1981, 541.
[285] BGH FamRZ 1981, 51, 543.
[286] SüdL, Ziff. 10.2.3.
[287] Scholz, FamRZ 1993, 125, 133.
[288] Weinreich/Eder, § 1602 Rn 17.
[289] DT 2023, A 7.
[290] DT 2023, A 8.
[291] Dose/Klinkhammer, § 2 Rn 116.
[292] BGH FamRZ 1988, 159, 161; FamRZ 1980, 1109, 1111.
[293] BGH FamRZ 2006, 1597 mit Anm. Born.

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